Mit Teddybären, alten Koffern und freier Rede

Man hört ihr einfach gerne zu. Ob am Telefon, auf dem Wochenmarkt oder in der Kirche, wenn Bettina Wirsching erzählt, folgt man ihr interessiert, denn meistens schwingen dabei Begeisterung und Engagement mit. Ihren Gedanken zu folgen, ist auch deshalb so leicht, weil sie nie abliest. Auch bei ihren Predigten war das so, bei den Andachten, die man im Internet anklicken und sogar auf dem Anrufbeantworter (!) anhören konnte.

„Frei zu reden, habe ich vor allem bei den Gottesdiensten in Seniorenzentren gelernt“, sagt Bettina Wirsching. „Wenn ich ablese, schaltet die Gemeinde eher ab. Wenn ich frei rede, nicht. Die alten Leute schauen auch gerne etwas an, anstatt nur zuzuhören. So habe ich schon einmal meinen alten Teddybären und einen Koffer mitgebracht, um eine Brücke zum aktuellen Thema zu bauen. Wenn sie einer Predigt interessiert folgen, antworten Senioren sogar auf rhetorische Fragen und gehen mit mir quasi ins Gespräch. Das ist lebendig und wertvoll.“

Am 29. Juni wurde Pfarrerin Bettina Wirsching in einem bewegenden Gottesdienst in der Bartholomäus-Kirche verabschiedet. Beim anschließenden Empfang auf dem Kirchenhügel gab es viele Gespräche mit gemeinsamen Erinnerungen, Dank und gute Wünsche, aber auch Abschiedsschmerz. 

33 Jahre lang war die temperamentvolle gebürtige Münsterländerin in der evangelischen Christus-Kirchengemeinde in Lütgendortmund mit der Bartholomäus-Kirche und der Katharinen-Kirche tätig. In wechselnden Teams, die letzten drei Jahre mit ihren Kollegen Jens Nieper und David Raasch. „Wir drei sind so unterschiedlich, dass wir uns super ergänzen. Ich arbeite in einem Team, das einfach ein Traum ist, und kann so mit gutem Gefühl gehen“, sagt sie.

In die neue Lebensphase nimmt sie viele positive Erinnerungen mit. Etwa an viele Schulgottesdienste mit Grundschulkindern, die ihr immer großen Spaß gemacht haben; an engagierte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr eine großartige Unterstützung waren; an kreative Ideen in der Coronazeit, in der auch die Internet-Andacht geboren wurde; Erinnerungen an die abwechslungsreiche Konzertreihe „zur Marktzeit“, samstags um 11 Uhr; oder an das ökumenische Feierabendmahl mit der damaligen Kollegin Heike Bährle beim Kirchentag auf Zeche Zollern mit über 1000 Gästen. Die evangelische Christus-Kirchengemeinde scheint insgesamt sehr kreativ zu sein.

Auch über deren Grenzen hinaus ist Bettina Wirsching aktiv. So ist sie noch bis 2026 Mitglied der 13. Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und findet diese verantwortungsvolle Aufgabe hoch spannend.

Was fand sie bewegend in den vergangenen Jahren? „Ganz schlimm fand ich den Rücktritt von Annette Kurschus, das hat mich sehr bewegt und mir sehr leidgetan. Auch die Entwidmung unseres Martin-Luther-King-Gemeindehauses ist mir nahe gegangen. Im positiven Sinne bewegend fand ich, dass unsere Gemeinde neue Kirchenglocken bekommen hat, für die wir viele Jahre lang Spenden gesammelt haben. Ich war auch beim Gießen der Glocken dabei. Das ist ergreifend und mit einer Zeremonie mit Gebet und Lesung verbunden.“

In diesen Tagen löst Pfarrerin Wirsching ihren Haushalt im Pfarrhaus auf und bereitet ihren Umzug vor. Auf den neuen Lebensabschnitt freut sie sich. Sie liest viel, vor allem Bücher, die sich mit geschichtlichen Themen befassen; sie fährt gerne Rad und freut sich darauf, einfach mal wieder spontan ins Theater, Kino oder Konzert gehen zu können, ohne das planen und Termine absprechen zu müssen. Außerdem unterstützt sie eine syrische Familie im Alltag und bei behördlichen und juristischen Fragen.

Vor dem Älterwerden hat das 66-jährige Energiebündel keine Angst: „Meine Mutter ist 90 und zeigt mir, wie ich fröhlich altern kann.“

Was ihr noch wichtig ist: „Ich bedanke mich für 33 Jahre in einer absolut netten Gemeinde!“   

anhe