16.11.2018

Crashkurs, um Leben zu retten

Überzeugungsarbeit für mehr Sicherheit im Verkehr

Pfarrer i.R. Hartmut Neumann ist Notfallseelsorger. Er weiß um die Sprachlosigkeit und Verzweiflung derer, um die er sich kümmert. Jetzt hat er an einem „Crashkurs“ der Polizei NRW teilgenommen, um Jugendliche zum achtsamen und rücksichtsvollen Fahren mit Auto, Motorrad oder Moped zu animieren.

Nun stehe ich also allein auf der Bühne in der Aula des Fritz-Henssler-Hauses. Die Scheinwerfer blenden. Wer da im Saal präsent ist, vermag ich nicht zu sagen. 300 bis 400 Jugendliche sollen es sein - so wird es mir später mitgeteilt. Merkwürdig. Man hört sie nicht. Geradezu knisternde Spannung. Zum „Crashkurs“ hat man sie eingeladen. Sie kommen aus unterschiedlichsten Schulen und Jugend-Organisationen der Stadt und sind um die 17 Jahre alt. Demnächst werden sie ihren Führerschein in der Tasche haben, dürfen dann im Straßenverkehr unterwegs sein, konfrontiert mit zahlreichen Herausforderungen.

Genau das ist der Hintergrund der Veranstaltung: Unfälle geschehen eben nicht einfach, sie werden verursacht, erst recht durch Alkohol, Drogen und überhöhte Geschwindigkeit, durch Unachtsamkeit, Imponiergehabe und Ablenkung durch das Handy. Darauf wird aufmerksam gemacht, teilweise mit drastischen Schilderungen, mit Fotos, die aufrütteln.

Polizei-Oberkommissar Thomas Stein kommt bereits in seiner Begrüßung ohne Umschweife zur Sache. Glücklicherweise bin nämlich nicht nur ich da in meiner Uniform des Notfallseelsorgers, der von Todesnachrichten erzählt, Sprachlosigkeiten, Tränen, Verzweiflung am Einsatzort thematisiert. Mit mir sind Vertreter von Polizei, Feuerwehr, notärztlichem Dienst und ein durch einen Verkehrsunfall Gezeichneter gekommen. Allesamt wissen sie, wovon sie reden, wollen zum Nachdenken bringen, denn tot ist tot, bleibt tot. Und schwere Verletzungen können ein Leben lang begleiten und Lebensqualität rauben.

Der Polizei-Beamte Dennis Peick erzählt, wie er mit seinem Streifenwagen zum Einsatzort rast, sich immer wieder erinnert fühlt, wenn er an der Stelle vorbeifährt, die Schreie des Opfers im Ohr, als wäre es gestern gewesen. Daniel Westermann berichtet von lebensrettenden Maßnahmen, die er gemeinsam mit seinen Kollegen von Feuerwehr und Rettungsdienst in Gang setzte. Dr. Hans Lemke, leitender Notarzt in Dortmund, weiß mitzuteilen, dass trotz aller Bemühungen nicht immer Rettung möglich ist, manchmal Schwerverletzte sozusagen unter der helfenden Hand versterben.

Und das Unfallopfer schildert, wie sein Leben plötzlich verändert wurde, als der Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit auf ihn zuraste, sich das Lenkrad in seinen Kopf bohrte, sich wochenlanges Koma einstellte, lebenslange Behinderungen zur Folge hat, heute immer noch spürbar, kaum mehr zu ändern.

Die Betroffenheit im Raum ist zu spüren – auch noch, als nach einer Stunde der „Crash-Kurs“ seinen Abschluss findet und etliche Jugendliche nachdenklich den Ort verlassen, Polizeibeamter, Feuerwehrmann, Notarzt, Notfallseelsorger und Unfallopfer in ihren Alltag zurückkehren.

Sie nehmen dabei die Hoffnung mit, dass solch eine Veranstaltung Sinn machen kann. Und wenn die Auseinandersetzung mit der Thematik nur einen Crash weniger mit sich brächte – das wäre schon was, denn Unfälle sind vermeidbar, wenn man es ernsthaft will und rechtzeitig die Konsequenzen eigenen Handelns bedenkt.

Hartmut Neumann

Foto: Stephan Schütze
Das Crash-Kurs-Team mit Vertretern von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Notarzt, Notfall-Seelsorge und Betroffenem. Foto: Stephan Schütze