15.09.2017

Erlösungslehre statt Moralinstanz

Eugen Drewermann sprach in der Paulus-Kirche über Luther.

Wie ist das eigentlich mit Luther? Was wollte er, was ist der Kern seines Glaubens, seiner Botschaft? Hierüber sprach Eugen Drewermann, suspendierter Priester, Privatdozent für katholische Dogmatik, dem die Kirche die Lehrerlaubnis entzogen hat, und Ex-Katholik in der Paulus-Kirche.

Im Jahr des Reformationsjubiläums würde sich die Evangelische Kirche auf die eigene Schulter klopfen, meinte Pfarrer Friedrich Laker in seiner Begrüßung. Und er sei gespannt darauf, welche Sicht Eugen Drewermann auf Luther habe, was dessen „Anstöße nach 500 Jahren in der größten Krise der Kirche nach Luther“ bedeuten.

In einer beinahe anderthalbstündigen Rede, frei gehalten, wortgewandt und –gewaltig, faszinierte Drewermann sein Publikum, das er mit „liebe Schwestern und Brüder“ anredete. Dabei beließ er es nicht bei Luther, sondern schlug einen theologiegeschichtlichen Bogen zurück über Paulus und Jesus bis hin zu Jeremia. Denn auch der sei, wie Luther, der Auffassung gewesen, „dass nichts mehr bleiben kann, wie es war.“ Ein einzelner Mensch, und damit meinte er Luther, könne näher an Gott sein als 1.500 Jahre Kirchengeschichte. „Die haben uns der Botschaft Christi nicht näher gebracht, sondern uns vielleicht meilenweit von ihr entfernt.“ Sie sei dogmatisiert und in Kulthandlungen eingepackt worden. Deshalb sei Luther der Auffassung gewesen, dass es einen Neuanfang geben müsse.

Drewermann datiert die Begründung der Reformation nicht auf den 31. Oktober 1517, sondern auf den März 1521, als Luther auf Einladung von Karl V auf dem Reichtstag zu Worms einen Disput mit den führenden Theologen seiner Zeit hält. Der Kaiser kommentierte: „Es will mir nicht erscheinen, wie ein einziger Mönch Recht haben könnte gegen die gesamte Christenheit.“ Das sei, so Drewermann, die „Geburtsstunde der Reformation gewesen“.

Was Luther in der Auseinandersetzung mit Papst und Kaiser getragen habe, sei das „Vertrauen auf Gott“. Vertrauen statt Angst, Vergebung als Kernbotschaft und die Gnade, die die Rechtfertigung bewirke– alles wichtige Grundanliegen des Reformators. „Luther redet von einem Gott“, so Drewermann, „der die Menschen verbindet.“ Das Christentum sei „keine Moralinstanz“, sondern „eine Erlösungslehre“, denn der Mensch werde von Gott vorbehaltlos angenommen.

Den Abend hatte die Musikgruppe „Cantico“ unter Leitung von Georg Borgschulte begleitet.

Tipp zum Weiterlesen: Eugen Drewermann, Luther wollte mehr, Verlag Herder 2017

Foto: Stephan Schütze
Über die Reformation und Martin Luther sprach Eugen Drewermann in der Paulus-Kirche. Fotos: Stephan Schütze