22.11.2018

Mendelssohns Paulus in St. Reinoldi

Bachchor setzt unterschiedliche Akzente

Ein Wochenende voller kirchenmusikalischer Höhepunkte in der Nähe des vorletzten Sonntags im Kirchenjahr: Nachdem am 16. November im Konzerthaus Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble unter Thomas Hengelbrock in höchster Perfektion Mozarts Requiem und die „Missa Superba“ von Johann Kaspar Kerll interpretierten, konnten Musikfreunde erwartungsvoll auf das Konzert des Bachchores an St. Reinoldi einen Tag später blicken. Das Oratorium „Paulus“ von Felix-Mendelssohn-Bartholdy war angesagt, ein Klangwerk von fast zweieinhalb Stunden Dauer, Stationen des Völkerapostels vergegenwärtigend, der vom Christen-Hasser zum Christus-Bekenner wurde.

Nahezu 100 Sängerinnen und Sänger hatten die Ton-Schöpfung unter der Leitung von Interims-Kantor Ansgar Kreutz in den letzten Monaten einstudiert, begleitet von der „Neuen Philharmonie Westfalen“. Um es vorweg zu sagen: Ein beeindruckendes Opus aus der Feder des jüdisch-christlichen Komponisten erklang in der akustisch gut geeigneten Stadtkirche. Mit der Ouvertüre, orientiert am Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, geradezu feierlich und dynamisch sehr differenziert zum Ausdruck gebracht, wurden die Zuhörer aus ihrer Alltagswelt abgeholt, hineingenommen in das musikalische Geschehen, bezogen auf denjenigen, der vom Saulus zum Paulus wurde und das Christentum aus dem Orient-Winkel nach Europa trug.

Geradezu bekenntnishaft deklamierend der Eingangschor, später das „Mache dich auf!“ in markanter Ausdrucksweise. Und das trotz des weithin statisch wirkenden Dirigats des Leiters, der fest verankert an seinem Platz zu stehen schien und dem Orchester über weite Strecken freien Lauf gewährte, überwiegend mit viel zu großer Lautstärke einhergehend, Chor und Solisten übertönend.

Dabei hatte man eine gute Solisten-Riege gewinnen können. Insbesondere Matthias Horn (Bass) überzeugte die Zuhörer, die vorwiegend im Mittelschiff zu finden waren. Gustavo Martin Sánchez (Tenor) hatte es manchmal schwer, sich gegenüber dem dominierenden Orchester durchzusetzen. Lena Sutor-Wernich (Alt) meisterte ihren Part ebenso exzellent wie Katharina Leyhe (Sopran). Bei ihr hätte man sich allerdings in den hohen Ton-Bereichen etwas weniger Tremolo gewünscht. Fesselnd die beiden Strophen des Chorals „O Jesu Christe, wahres Licht“, einmal durch die vier Vokal-Solisten, zum andern durch den ohnehin positiv agierenden Chor spannungsvoll interpretiert, glücklicherweise nicht so extrem langsam wie der Choral „Allein Gott in der Höh´ sei Ehr“ zu Beginn der Aufführung. Man darf nun gespannt sein auf das Weihnachtsoratorium am 15. Dezember und natürlich auf das erste Konzert des neuen Reinoldi-Kantors Christian Drengk mit dem „Stabat Mater“ von Antonín Dvorák am 6. April des kommenden Jahres.

Hartmut Neumann

Foto: Hartmut Neumann
Immer wieder ein besonderes musikalisches Erlebnis: Die Konzerte des Bachchors an St. Reinoldi. Foto: Hartmut Neumann