19.03.2018

„Nabucco“ auf der Kanzel

Gemeinsamer Gottesdienst mit der Oper Dortmund in St. Reinoldi.

Kirche und Oper – das passt gut zueinander. Zumindest dann, wenn die Akteure beider Seiten sich miteinander auf die Suche nach gemeinsamen Inhalten und Aussagen machen. Und wenn die Musik die gemeinsame Suche als verbindendes Element stützt, wird eine stimmige Veranstaltung daraus. In Dortmund gelang das eindrucksvoll. Gemeinsam gefeiert wurde keine Opernpremiere sondern ein Gottesdienst in der Stadtkirche St. Reinoldi.

Nabucco, Guiseppe Verdis erster großer Opernerfolg, der 1842 in Mailand uraufgeführt wurde, stand im Mittelpunkt des Opern-Gottesdienstes. Das Werk erzählt die Geschichte des babylonischen Königs Nebukadnezar, der im 6. Jahrhundert vor Christus alle Völker rund um Babylon unterwarf, Menschen verschleppte und Religionen ausmerzte. Auch das Volk Israel, zu dessen Glauben sich Nabuccos Tochter Fenena bekannte, hatte dem Machtdrang des Königs wenig entgegenzusetzen.

Die Frage nach Gott stelle in der Verdi-Oper das zentrale Element dar, erläuterte Opern-Chefdramaturg Georg Holzer in seiner Kanzelrede. Nabucco selbst fühle sich dem Gott Israels nicht nahe, widersetze sich aber auch dem Baals-Kult, dessen Hohepriester in Babylon großen Einfluss hätten. In einem Anflug von Größenwahn erkläre sich der König selbst zu Gott. Zwei Blitze, von Verdi und seinem Librettisten Temistocle Solera als Eingreifen Gottes gesetzt, führten Nabucco daraufhin in den Wahnsinn.

Die Verdi-Oper, so Holzer, sei aus dramaturgischer Sicht eigentlich vollkommen missglückt. Zu viele Handlungsteilchen, inkohärente Elemente und Zufälligkeiten habe das Autorenteam zusammengefügt. Dennoch beeindrucke sie durch die Darstellung von tragischen Charakteren und deren dramatischen Konflikt. Den löse Verdi, ganz im Stile seiner Zeit, zum guten Ende auf. Die aktuelle Dortmunder Inszenierung jedoch verzichte darauf. Die Erlösung fließe lediglich in Nabuccos Traum von einem gütlichen Miteinander ein. Der grundlegende Glaubens- und Machtkonflikt aber bleibe bestehen. Am gefährlichsten erweise sich dabei das Vorgehen der Baal-Fraktion, das seine Idee mit skrupelloser Gewalt durchzusetzen versuche.

Als Lösungschance skizzierte der Chefdramaturg die Voraussagen des Propheten Jeremia. Der mache, anders als der jüdische Hohepriester Zaccaria, der sein Volk in der Oper lediglich zum Durchhalten animiere, den langen Atem deutlich, der zur Überwindung von Machtmissbrauch und Tyrannei nötig sei. Jeremia stelle realistisch in Aussicht, dass es langen Leidens, aber auch eigenen Tuns bedürfe, um Terror und Gewalt hinter sich zu lassen.

Musikalisch präsentierte der Gottesdienst zwei Kostproben der aktuellen Operninszenierung. Am Klavier begleitet von Tatiana Prushinskaya gaben Bariton Sangmin Lee (Nabucco) und die Mezzosopranistin Almerija Delic (Fenena) Arien zum Besten. Und auch die Gemeinde durfte in Nabucco einstimmen. Als eines der Gottesdienstlieder stand ein Auszug aus dem berühmten Gefangenenchor auf dem Liedzettel.

Foto: Stephan Schütze
Verdis „Nabucco“ stand im Mittelpunkt des Operngottesdienstes in St. Reinoldi. Foto: Stephan Schütze