24.10.2018

Ohne Unterstützung geht es nicht

Nizaqete Bislimi mit ihrem Buch „Durch die Wand“ zu Gast im Salon der QuerDenkerinnen

 „Ich wollte etwas in meinem Leben erreichen. Ich wollte all das verstehen, was unser Leben so schwer machte.“ Mit diesen Worten beschreibt Nizaqete Bislimi ihre Motivation auf ihrem Weg von der Asylbewerberin bis zur Rechtsanwältin. Mit 14 Jahren floh sie mit ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern vor dem Bürgerkrieg im Kosovo, in dem die Familie als Roma zwischen die Fronten der gegeneinander kämpfenden Mehrheitsbevölkerung geriet. Ihre Kindheit, die Flucht nach Deutschland und den langen Weg bis zur Aufenthaltserlaubnis hat Nizaqete Bislimi in ihrem Buch „Durch die Wand“ geschildert.

Rund 80 Besucherinnen erfuhren bei ihrer Lesung im Salon der QuerDenkerinnen, ausgerichtet von der Frauen- und Gleichstellungsarbeit des Kirchenkreises Dortmund, zunächst etwas von dem Leben Bislimis in ihrer Heimat. Lange Zeit wollte sie nicht wahrhaben, dass sie eine Romni war, dass sie einer Minderheit angehörte. „Ich habe lange Jahre meine Identität verleugnet, ich redete mir ein, ich sei Albanerin.“ Erst als Rechtsanwältin in Deutschland habe sie das Selbstbewusstsein gehabt, von sich selbst als Romni zu sprechen.

Nach der Flucht und der Ankunft in Deutschland lebte die Familie Bislimi 14 Jahre lang im Status der Duldung. In der Petri-Kirche beschreibt Nizaqete Bislimi eindrücklich, was dieser Zustand mit Menschen macht. „Man kann nicht planen, man bekommt keine Integrationsmaßnahmen, keine Sprachkurse.“ Dass für ihre Familie am Ende alles positiv ausgegangen sei – Bislimi besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, alle weiteren Familienmitglieder haben mittlerweile eine Aufenthaltserlaubnis – sei nur möglich gewesen, weil sie viel Glück und immer Menschen hatten, die sie unterstützt haben.

Natürlich spielte auch Nizaqete Bislimis eigener Ansporn eine Rolle. Als Jugendliche musste sie mit ihrer Mutter einen Anwalt aufsuchen, weil weder sie noch ein befreundetes deutsches Ehepaar das Behördenschreiben verstanden. Deshalb nahm sie sich vor, die Sprache und das Behördendeutsch so gut verstehen zu können wie der Rechtsanwalt. Sie wechselte bald in eine Regelklasse an einer Gesamtschule und machte ihr Abitur. Der Berufsberater in der Schule und die Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde machten ihr keine Hoffnung auf eine Berufsausbildung. Bislimi begann ein Jura-Studium und arbeitet heute in der Kanzlei des Rechtsanwaltes, der ihr und ihrer Familie damals geholfen hat.

„Die Politik unterscheidet in gute und schlechte Geflüchtete“, sagt Bislimi am Ende ihres Vortrages. Flüchtlinge aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern erhielten keine Integrationsmaßnahmen, für die Kinder gelte keine Schulpflicht. Es sei gefährlich, einer ganzen Generation die Schule zu verwehren. So viel Potenzial gehe auf diese Weise verloren. Sie wünsche sich, auch als Vorsitzende des Bundes Roma Verbandes, einen Zusammenschluss mit der Bevölkerung: „Wenn wir auf die Straße gehen, wenn wir laut sind, wäre es schön, wenn Menschen mit uns mitgehen.“ Zu diesem Schlusswort passte der „Libertango“ von Astor Piazzolla, gespielt von Stefanie Schulte-Hoffmann, die den Abend musikalisch auf dem Akkordeon begleitete.

Foto: Stephan Schütze
Stefanie Schulte-Hoffmann, Anke Steger, Nizaqete Bislimi, Anne Lütke Wissing, Dr. Ingrid Lessing (v.l.). Foto: Stephan Schütze