19.02.2016 // Juristische Strategien der Nazis

Am Rande der Legalität

Nazis sind Glatzen, meistens tumb und gerne besoffen. Vielleicht stimmt dieses Bild bei einigen von ihnen, aber gerade die führenden Köpfe sind alles andere als blöd.

Juristische Strategien der Dortmunder Naziszene

Nazis sind Glatzen, meistens tumb und gerne besoffen. Vielleicht stimmt dieses Bild bei einigen von ihnen, aber gerade die führenden Köpfe sind alles andere als blöd. Sie nutzen mit Geschick und Kenntnis die rechtlichen Möglichkeiten aus, die ihnen der demokratische Staat gibt.

„Die Dortmunder Nazis haben sich einen bewussten Umgang mit juristischen Fragen erarbeitet und agieren in einer rechtlichen Grauzone“, so Pfarrer Friedrich Stiller. Eingeladen hatte er mit dem Arbeitskreis „Christen gegen Rechtsextremismus“ zu einer Veranstaltung, die genau dieses Verhältnis der Neonazis zum Recht, ihr juristisches Handeln vor Gericht und auf der Straße untersuchte.

Referent des Abends war Manuel Kabis, Dortmunder Fachanwalt für Strafrecht. Er kennt die Materie nicht nur aus der Theorie, denn er war Nebenkläger in verschiedenen Prozessen gegen Dortmunder Rechtsextreme. Seine Grundthese: „Die Dortmunder Szene hat Strategien entwickelt, um immer am Rande der Legalität zu bleiben.“

Ausnahmen bestätigen dabei die Regel, nach der sowohl auf der Straße als auch vor Gericht die Nazis mit Plan vorgehen. „Die rechte Szene ist juristisch gut beraten.“ Sie habe Anwälte, die nicht als politisches Sprachrohr agieren, sondern die Strafprozessordnung kennen und fachlich kompetent seien. „In den letzten Jahren sind ganze Netzwerke von Fachleuten aufgebaut worden.“

Kabis belegte seine These an mehreren Beispielen. So erläuterte er, dass bei dem „Rathaussturm“ die rechte Szene genau gewusst hätte, wo sie ansetzen kann. Denn das Rathaus stehe jedem Dortmunder Bürger offen. Ihn am Eintreten zu hindern, sei rechtswidrig. So hätten die Neonazis eine Argumentation aufgebaut, nach der sie lediglich ein Notwehrrecht ausgeübt hätten.

Auch – ein weiteres Beispiel - vor Flüchtlingsheimen mit Fackeln zu stehen, sei zwar einschüchternd, aber kein Straftatbestand. Umgekehrt würde die rechtsextreme Szene dazu übergehen, die staatlichen Einrichtungen zu nutzen, wenn man sich selbst als Opfer darstellen könne.

Kabis sieht diese Entwicklung als bedenklich an. Denn der Rückzug auf formaljuristische Positionen abstrahiere von der Gefährlichkeit der Nazis. Gerade den Bundesverfassungsrichtern wirft er „Naivität“ vor. „Man darf keine Bagatellisierung von rechter Gewalt vornehmen, daran muss man auch die Justiz immer wieder erinnern.“

Die nächste Veranstaltung der „Christen gegen Rechtsextremismus“ findet am 24. Mai, um 19 Uhr, im Reinoldinum statt. Dann geht es um die Themen Verbotsdebatte, Demostrategien und Polizeikonzept im Vorfeld des Naziaufmarsches am 4. Juni 2016.

Foto: Stephan Schütze
Um die „Rechten“ und das Recht ging es bei der Veranstaltung der „Christen gegen Rechtsextremismus“. Übers Thema referierte Rechtsanwalt Manuel Kabis (2.v.r.).