Andreas Zumach berichtete über den Konflikt in Syrien
Syrische Flüchtlinge aufnehmen, Geld für humanitäre Hilfe vor Ort zur Verfügung stellen und „keinerlei Waffenlieferungen mehr in diese Region, egal an welche Seite.“ Diese drei Forderungen stellt Andreas Zumach, Journalist am UN-Sitz in Genf und Buchautor, am Ende seines einstündigen Vortrages in der Auslandsgesellschaft NRW.
Auf Einladung des Dortmunder Islamseminars und in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft sowie verschiedenen Dortmunder Friedensinitiativen erläutert er die komplexe Situation im syrischen Bürgerkrieg.
„Die im Dezember 2010 begonnenen Freiheitsbestrebungen der Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten werden alle Staaten in dieser Region erfassen und dort zu gravierenden Änderungen führen“, ist sich Zumach sicher. Wie der Fall der Mauer 1989 zögen auch diese aktuellen Ereignisse „historische Umwälzungen“ nach sich.
Der Konflikt in Syrien begann im Anfang 2011 gewaltfrei. „Die Menschen forderten grundlegende Freiheits- und Menschenrechte. Sie demonstrierten friedlich gegen willkürliche Verhaftungen, forderten Presse- und Versammlungsfreiheit.“ Sie wollten eine Perspektive für ein „besseres Leben“.
Syriens Präsident Bashar al-Assad, Führer der seit den 1960er Jahren regierenden Baath-Partei, reagierte sehr schnell mit Gewalt auf die friedlichen Proteste. „Trotzdem blieben die Proteste der Opposition, zu deren politischen Akteuren der Nationale Übergangsrat Syrien und der Syrische Nationalrat gehören, bis Oktober 2011 gewaltfrei.“
Genauso verhielt sich vorläufig auch die Freie syrische Armee (FSA). In der FSA sammelten sich Deserteure der Streitkräfte Syriens, die nicht bereit waren, auf ihre Landsleute zu schießen.
„Die Situation in Syrien kippte im März/April 2012, als die ,Freunde Syriens‘ begannen, die Opposition massiv finanziell und im Hintergrund auch militärisch zu unterstützen“, weiß Zumach. „Da musste auch ein begnadeter Vermittler wie Kofi Annan scheitern.“
Der UN-Sonderbeauftragte hatte einen Sechs-Punkte-Friedensplan vorgelegt, der die Zusammenarbeit aller Beteiligten beim politischen Prozess, einen von den UN beobachteten Waffenstillstand, den ungehinderten Zugang von humanitären Organisationen in die von Kämpfen betroffenen Gebiete, die Freilassung politischer Gefangener, Bewegungsfreiheit für Journalisten im ganzen Land sowie die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Syrien vorsah.
Inzwischen heizen weitere bewaffnete Akteure den Konflikt an. Dazu zählen der „Islamische Staat im Irak und der Levante“, die „al-Nusra-Front“ – beide stehen der Terrororganisation al-Qaida nahe – und der Dachverband Islamische Front, der von Saudi-Arabien unterstützt wird.
Alle drei weigern sich, mit al-Assad zu verhandeln. Sie sind auch nicht in die Friedensgespräche Genf II eingebunden. Die Verhandlungen in Genf gestalten sich unter der Führung des UN-Vermittlers Lakhdar Brahimi als äußerst schwierig.
Andreas Zumach: „Am ersten Tag weigerten sich alle Konfliktparteien, das Verhandlungsgebäude der UN zu betreten. Sie blieben in ihren Hotels und Brahimi pendelte von einem zum anderen. Am zweiten Tag saßen sie im Verhandlungsgebäude, aber in getrennten Räumen. Wieder pendelte Brahimi.“
Tag drei brachte die verfeindeten Parteien immerhin im selben Raum zusammen. „Allerdings nicht an einem Verhandlungstisch, sondern jeder in seiner Ecke. Man sprach auch nicht miteinander, sondern nutzte Brahimi als Sprachrohr.“ Am vierten Tag keimte erste Hoffnung auf. „Die Verhandlungsführer vereinbarten humanitäre
Erleichterungen für die eingeschlossenen Menschen in Homs.“ Die Altstadt von Homs wird seit Monaten von Rebellengruppen gehalten und von syrischen Regierungstruppen belagert. „Vereinbart wurde, dass Frauen und Kinder die Stadt verlassen dürfen. Männer müssten sich allerdings erst einer Kontrolle unterziehen.
Zudem sollen Hilfstransporte der UN nach Homs fahren dürfen.“ Mit diesen Hilfslieferungen werde dort die hungernde Zivilbevölkerung versorgt. Die Lastwagen mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern stehen seit langem bereit, wann sie endlich fahren dürfen, ist noch ungewiss.
„Eine halbtägige Feuerpause für Homs wäre ein weiterer großer Fortschritt“, wagt Andreas Zumach einen Blick in die Zukunft. Des Weiteren würden die Bildung einer Übergangsregierung und die Möglichkeit eines Gefangenenaustausches bei den Friedensverhandlungen in Genf auf der Tagesordnung stehen.
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