23.10.2015 // Rechtsextremismus

Angst vor Überfremdung

Über Hintergründe, Motivation und Strukturen der rechtsextremen Szene in Ostdeutschland informierte Henning Flad von der Diakonie Deutschland im Kultur- und Tagungszentrum Wichern.

Informationsveranstaltung zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland

Über Hintergründe, Motivation und Strukturen der rechtsextremen Szene in Ostdeutschland informierte Henning Flad von der Diakonie Deutschland im Kultur- und Tagungszentrum Wichern. Der Koordinierungskreis „Christen gegen Rechts“ hatte ihn zum Thema „Heidenau und anderswo – Flüchtlinge in Gefahr – Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Ostdeutschland“ eingeladen.

Vor einigen Wochen wäre die Neonaziszene bundesweit auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, erklärte Henning Flad zu Beginn seines Vortrags. "Die NPD ist zerstritten, hat Personalsorgen und Geldmangel, ihre wenigen Veranstaltungen waren miserabel besucht". Auch die Zahl der Rechtsrockkonzerte und der Verkauf von Musik-CDs waren rückläufig. Für Dortmund gelte das allerdings nicht, räumte er ein. "Dortmund ist in Westdeutschland eine Anomalie".

Seit Anfang September verändere sich das aber, so Flad. Die Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte steige seitdem dramatisch an. Der Aktionskreis von Pegida, den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes, weite sich sachsenweit in andere Städte mit einer größeren Zahl an Teilnehmenden aus. „Die vielen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 ist die größte rassistische Gewaltwelle seit den 90er Jahren“, erklärte der Politikwissenschaftler.

Die Besucher der Pegida-Veranstaltungen fürchteten die Überfremdung. "Die Demonstrationen sind geprägt von Gewaltpropaganda und Hysterie", referierte Flad. Das Wort Invasion tauche in fast jedem Redebeitrag auf, auch in den Medien. Die "Junge Freiheit" titelte zum Beispiel: "Bahn räumt ICE für Invasoren". "Da herrscht die Sprache des Krieges", erklärte Henning Flad. "Grenzöffnung ist Hochverrat" oder "Soldaten werdet selbst aktiv". Für Flad ein Aufruf zum Putsch.

Für ihn ist Pegida der Beginn einer rechten Massenbewegung, bei der die Neonazis mitlaufen. Das sei die Gefahr, mahnte er. Denn die Pegida-Demos richteten sich nicht mehr nur an den Rand, sondern an die Mitte der Gesellschaft. "Sie richten sich gegen die da oben und die sogenannte Lügenpresse." Die Pegida sei sich gewiss, "wir sind das Volk sonst keiner, nicht die Politiker und nicht die Presse". Das sei antidemokratisch, warnte Flad. Es gehe um die "Zugehörigkeit zum deutschen Volk, einem Volk in dem alle an einem Strang ziehen".

Pegida und der Rechtsextremismus in Ostdeutschland dürfe nicht unterschätzt aber auch nicht überschätzt werden, zieht er sein Fazit. "Denn das ist keine Graswurzelbewegung, hat keine Verankerung an den Unis und ist in der gesellschaftlichen Elite im Osten nicht angekommen", erklärte Henning Flad.

Foto: Stephan Schütze
Über den Rechtsextremismus in Ostdeutschland informierte Henning Flad (r.), Fachreferent der Diakonie Deutschland, den Koordinierungskreis „Christen gegen Rechts“.