Von Nicole Schneidmüller-Gaiser
„Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht“, schrieb Simone de Beauvoir 1949 in „Das andere Geschlecht“. Man wird nicht als Frau geboren, aber man stirbt daran, steht 2022 auf Transparenten in Teheran.“ So beginnt ein Text in der TAZ zum Jahreswechsel. Es sind merkwürdige Zeiten. Es ist noch gar nicht so lange her, da musste man als Feministin erklären, warum man sich auch im 21. Jahrhundert noch stark macht für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es schien doch alles geklärt, das Grundgesetz sichert seit 1957 gleiche Rechte zu und irgendwann wurde sogar Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Warum also braucht ein Arbeitgeber in Deutschland heute noch eine Gleichstellungsbeauftragte? „Weil wir es als Gesellschaft immer noch nicht realisiert haben, dass alle gleiche Chancen haben“, kommt es ohne zu zögern von Anna-Lena Schmidt. Die 32-Jährige ist die neue Gleichstellungsbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund. Und sie ist überzeugt: „In vielen Köpfen ist das 21. Jahrhundert noch nicht angekommen.“
Natürlich muss man die sprichwörtliche „Kirche im Dorf lassen“ – mit der Gewalt, die Frauen im Iran und in Afghanistan derzeit ihre Rechte genommen werden, ist die Situation von Frauen in Deutschland nicht zu vergleichen. Obwohl auch hierzulande mehr als 100 Frauen pro Jahr durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners sterben. Gewalt gegen Frauen verschwindet nicht, weil der Bundestag ein Gesetz erlässt. Die Aufgabe einer Gleichstellungsbeauftragten liegt aber in einem anderen Bereich: „Berufe, die überwiegend von Frauen gemacht werden, sind im Schnitt immer noch schlechter bezahlt. Als Kirche können und müssen wir solche Missstände immer wieder thematisieren.“
Wenn es um die Gleichberechtigung im Alltag geht, ist das Leben von Männern und Frauen bis heute unterschiedlich – auch hierzulande: Es sind oft genug Frauen, die den Alltag regeln, die immer noch zurückstecken, wenn es um Karriere- und Familienplanung geht. Der Großteil der Hausarbeiten wird bei Paaren und in Familien von den Frauen übernommen. In der Pandemie waren es im Lockdown oft genug die Frauen, die im Homeoffice nicht nur an Videokonferenzen teilnahmen und den Umgang mit Zoom erlernten, sondern „nebenbei“ das Homeschooling der Kinder überwachten und sich um den Haushalt kümmerten.
Ein „Knick“ in der Karriere von Frauen entsteht auch heute noch bei vielen mit der Geburt von Kindern. „Dass Männer Elternzeit nehmen, ist immer noch die Ausnahme“, weiß Anna-Lena Schmidt. Damit die Frauen aber wenigstens die Chance haben, an den Arbeitsplatz zurückzukommen, investiert der Arbeitgeber Kirche viel in das „Gütesiegel Familienorientierung“. Ein Arbeitskreis, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedenen Arbeitsbereichen des Kirchenkreises die Gleichstellungsbeauftragte bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beraten und unterstützen, arbeitet schon seit Ende 2014 an der Entwicklung von Angeboten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „So wurden bislang 14 Angebote entwickelt, die einerseits bei der Betreuung von Kindern, aber auch bei Pflege von Angehörigen unterstützen sollen“, so Schmidt. Denn auch um die Pflegearbeit für Eltern oder Schwiegereltern kümmern sich meistens die Frauen.
Für sie selbst spielen diese Themen privat derzeit noch keine Rolle – die 32-jährige Anna-Lena Schmidt ist Politologin, studierte in Marburg außerdem Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaften – und freut sich jetzt erst einmal auf die neue Stelle, bei der sie „selbst Schwerpunkte setzen kann“. Derzeit arbeitet sie an einer Infopost, die an junge Mütter – und Väter – verschickt werden soll, um sie auf Betreuungsangebote im Kirchenkreis hinzuweisen. „Natürlich berate ich Eltern auch in allen anderen Fragen zum Wiedereinstieg nach einer Familienphase, etwa wenn sie eine Rückkehr in Teilzeit anstreben.“ Äußerst beliebt ist im Kirchenkreis auch das „Eltern-Kind-Büro“ im Bildungswerk: „Dort steht ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz zur Verfügung – und es gibt Spielmaterialien und Ruhemöglichkeiten für Kinder, die kurzfristig ohne Betreuung sind, etwa weil Unterricht ausfällt“, erklärt Anna-Lena Schmidt. Und um den haupt- und ehrenamtlichen Synodalen die Teilnahme an der zweimal jährlich stattfindenden Kreissynode zu ermöglichen, können Eltern eine Synoden-Kinderbetreuung buchen. „All diese Angebote will ich noch bekannter machen“, hat sich Anna-Lena Schmidt vorgenommen.