07.07.2017 // Konkurrenz und Verdrängung

Arme gegen Flüchtlinge, Flüchtlinge gegen Arme

„Arbeitslose, Wohnungslose und Flüchtlinge um Wohnraum und Arbeitsplatz konkurrieren zu lassen das ist unwürdig.“

Veranstaltung in der Pauluskirche thematisiert Konkurrenz und Verdrängung

Die Reise nach Jerusalem. Dieses Bild bemühte Prof. Dr. Benjamin Benz. „Arbeitslose, Wohnungslose und Flüchtlinge um Wohnraum und Arbeitsplatz konkurrieren zu lassen nach dem Motto der ´Reise nach Jerusalem`, bei der immer ein Stuhl zu wenig ist, das ist unwürdig.“

Der Politikwissenschaftler (Schwerpunkt: Armut und soziale Ausgrenzung) von der Evangelischen FH Bochum machte bei der Veranstaltung „Integration der Geflüchteten – Wer zahlt die Zeche“ klar, dass es bei dem Verdrängungswettbewerb Flüchtlinge contra Arme letztlich um eine strukturelle Unterfinanzierung der Städte geht.

Es gebe diese Konkurrenz im unteren Teil der Gesellschaft, so Benz, doch gleichzeitig „blüht das Land“. Die Gesellschaft würde immer reicher und lebe insgesamt im Überfluss. Das Problem sei die ungleiche Verteilung des Reichtums.

Der Bundespolitik warf er vor, die „hochverschuldeten Kommunen an Rhein und Ruhr im Stich“ zu lassen. Ähnlich die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner, die die Aufgabenverlagerung der Länder und des Bundes in die kommunalen Haushalte beklagte. „Wir beobachten, dass die kommunalen Haushalte zu sozialen Haushalten werden.“

So betragen die Ausgaben für Soziales mehr als die Hälfte des Dortmunder Gesamthaushaltes. Das sei nicht nachvollziehbar, denn es gebe bundesweit „genug Finanzkraft im System.“ Bei der Integration von Flüchtlingen gehe es um eine „nationale Aufgabe“. Dafür sollten die Kommunen eine „vernünftige finanzielle Ausstattung“ bekommen.

Ein Dach über dem Kopf, Arbeit und ein soziales Umfeld bräuchten die Flüchtlinge, zählte Uta Schütte-Haermeyer vom Diakonischen Werk auf. „Sie brauchen ganz bestimmt keine Neiddebatte.“

Paul-Gerhard Stamm vom Netzwerk Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe betonte die Bedeutung des Spracherwerbs für die Integration. Beim Thema Wohnen hakte Thomas Bohne von der Wohnungslosenberatung der Diakonie ein: „Es gibt zu wenig Wohnungen.“ Arme, Alte, Wohnungslose und Flüchtlinge würden um bezahlbaren Wohnraum konkurrieren. „Da gibt es ein ganz klares Ranking: die Wohnungslosen sind weit unten.“ Das löse natürlich Kränkung, Neid und Ärger aus. „Da muss was passieren.“

Helmut Eigen vom Vorstand des Arbeitslosenzentrums, selbst von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen, fasste es zusammen: „Wir haben schon lange keine gerechte soziale Politik, keine gerechte Verteilung mehr. Die Armen werden zahlreicher und die Reichen werden reicher.“

Superintendent Ulf Schlüter warnte davor, die soziale Ungleichheit „national aufzuladen“. Der Befürchtung, die sozial Ausgegrenzten könnten Wählermasse der Rechtspopulisten sein, widersprach Pfarrer Friedrich Stiller mit Hinweis auf entsprechende Untersuchungen. „Sie wählen eher überhaupt nicht.“

Für Prof. Benz ist das keine Beruhigung. Wenn ganze Bevölkerungsteile nicht mehr wählen gehen, weil sie sich von der Politik nichts mehr versprechen, „dann ist das Sprengstoff für unsere Demokratie“.

Eingeladen zu der Veranstaltung in der Paulus-Kirche hatte der Evangelische Kirchenkreis Dortmund, das Diakonische Werk Dortmund Lünen sowie die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Kooperation mit dem Netzwerk Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe und dem Arbeitslosenzentrum.

Foto: Stephan Schütze
Um die Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und armen Menschen um Wohnraum und Arbeitsplätze ging es bei einer Veranstaltung in der Paulus-Kirche.