07.11.2014 // Veranstaltung zur Zuwanderung

Armut wie in Geschichtsbüchern

Die Öffnung des sozialen Regelsystems für Armutszuwanderer aus südosteuropäischen Staaten forderte Pfarrer Helge Hohmann.

Veranstaltung zur Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach Dortmund

Die Öffnung des sozialen Regelsystems für Armutszuwanderer aus südosteuropäischen Staaten forderte Pfarrer Helge Hohmann, Beauftragter für Zuwanderungsarbeit der Ev. Kirche von Westfalen, auf der Veranstaltung „Neue Heimat Dortmund – Armut, Zuwanderung, Nachbarschaft“.

Anfang November hatten Fachleute und Praktiker aus Kirche, Diakonie und Kommune über die verstärkte Zuwanderung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien diskutiert. Eingeladen hatten der Evangelische Kirchenkreis Dortmund zusammen mit dem Diakonischen Werk, der Lydia-Gemeinde, der Solidarischen Kirche Westfalen/Lippe, dem Institut für Kirche und Gesellschaft und dem Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe).

Um den „Verelendungsprozess zu stoppen“, so Hohmann, sei der Zugang zu den Sozialsystemen notwendig. Über einen Sozialfonds müsse der Bund einen finanziellen Ausgleich für die Kommunen schaffen. Den Bund in der Pflicht sieht auch Christiane Certa vom Dortmunder Sozialdezernat. Trotz aller Bemühungen und Erfolge vor Ort könnten die Kommunen die Probleme nicht alleine lösen. „Was wir tun, ist Nothilfe“.

Die Armutszuwanderer kämen zwar in der Hoffnung auf Arbeit hierher, doch „in einer Stadt mit 20.000 Langzeitarbeitslosen haben diese Menschen, die schlecht qualifiziert sind, kaum Chancen auf eine Arbeitsstelle.“ Deren Lebenssituation machten u. a. die Nordstadtpfarrerin Birgit Worms-Nigmann, Andrea Hitzke von der Mitternachtsmission  und Uta Schütte-Haermeyer von der Diakonie deutlich. „Wir sind mit einer Armut konfrontiert, die wir in Deutschland nur noch aus Geschichtsbüchern kennen.“

Letztendlich brauche es eine „eigene EU-Sozialpolitik“. Das ist die Forderung von Thomas Krieger, Europareferent der MÖWe. „Wir brauchen einen EU-Marshalplan für den Südosten Europas.“ Finanziert werden könne er beispielsweise durch eine Transaktionssteuer für den Handel mit Finanzprodukten.

Um die Lage vor Ort möglichst schnell zu verbessern, legte Ulf Schlüter, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund, konkrete Forderungen auf den Tisch: Die Arbeitsausbeutung der Armutsimmigranten müsse genauso bekämpft werden wie der Menschenhandel und die ausbeuterischen Wohnverhältnisse. Zugang zu bezahlbarem Wohnraum müsse sichergestellt sein. „Die Menschen sind nicht freiwillig hier, sondern weil sie eine Perspektive für sich und ihre Kinder suchen.“

Wer immer behauptet, dafür sei kein Geld da, verschweigt den Reichtum unserer Gesellschaften. Auch das machte die Veranstaltung klar. Wenn man von der Armut rede, müsse man auch vom Reichtum reden, so Pfarrer Horst Hoffmann aus Herne. Nicht nur Deutschland, auch die armen südosteuropäischen Länder seien so reich wie noch nie. Das Problem: dieser Reichtum sei nur in wenigen Händen.

Foto: Stephan Schütze
Armutszuwanderung aus Südosteuropa (nicht nur) in den Dortmunder Norden – um Probleme und Perspektiven ging es bei einer Tagung im Wichernhaus.