02.05.2016 // Bekleidungsfabriken in Osteuropa

Armutslöhne in Europa

Hungerlöhne in der Bekleidungsindustrie - die gibt es in Bangladesch, China oder überhaupt in den Nähfabriken Asiens. Stimmt. Die gibt es aber auch bei uns in Europa.

Zur Lage der Arbeiterinnen in den Bekleidungsfabriken Osteuropas

Hungerlöhne in der Bekleidungsindustrie - die gibt es in Bangladesch, China oder überhaupt in den Nähfabriken Asiens. Stimmt. Die gibt es aber auch bei uns in Europa. Die Kampagne für Saubere Kleidung hat in zehn osteuropäischen Staaten und in der Türkei recherchiert. Das Ergebnis: die Situation dort ist noch schlimmer als in Asien.

Auf Einladung der Werkstatt Ökumene Eine Welt, des Informationszentrums Dritte Welt e.V.  (IZ3W) und des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) haben Dr. Bettina Musiolek und Corina Ajder Aspekte der Studie „Im Stich gelassen: Die Armutslöhne der Arbeiterinnen in Kleiderfabriken in Osteuropa und der Türkei“ vorgestellt.

Dr. Musiolek ist Koordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung für Osteuropa und der Türkei, Ajder hat vor Ort in Moldawien, Rumänien und der Ukraine recherchiert. Diese ganze Region ist „eine einzige Bekleidungsproduktion“, so Musiolek. Häufig gebe es dort keine andere funktionierende Industrie.

Scheinbar beruhigend ist es, dass es dort wie in Asien einen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Doch der reicht hier wie da nicht zur Existenzsicherung aus. In Rumänien beispielsweise liegt er bei 133 Euro; dabei sind die Preise für Lebensmittel noch etwas höher als bei uns.

Ajders Recherchen haben ergeben, dass keine Fabrik auch nur einen Cent mehr als den Mindestlohn zahlt. Und den bekommt man auch nur dann, wenn man die Akkordstückzahl pro Tag schafft. Die Differenz zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und einem existenzsichernden Lohn ist in diesen europäischen Ländern größer als in Asien.

In China, das in den letzten Jahren den Mindestlohn verdoppelt hat, deckt er knapp die Hälfte des Existenzminimums, in dem EU-Land Rumänien sind es gerade mal 19 Prozent, in Georgien sogar nur zehn Prozent. Kein Wunder, dass die Kampagne für Saubere Kleidung von „sittenwidrigen“ Löhnen spricht.  „In diesen Ländern“, so Musiolek, „herrscht ein aggressiv arbeitgeberfreundliches Klima.“

Durchsetzungsfähige Gewerkschaften gebe es nicht. „Die Unternehmen können machen, was sie wollen.“ Und klar sei auch: Arbeitsstellen mit so niedrigem Lohn schaffen Armut anstatt sie zu bekämpfen.

Produziert wird mit solchen Löhnen übrigens nicht nur für die Billigheimer wie Kik oder Primark, sondern auch für Nobelmarken wie Hugo Boss und Versace. Sogar die bundesdeutsche Polizei lässt ihre Uniformen in Mazedonien herstellen.

Würde man den Arbeiterinnen - und es sind tatsächlich meistens Frauen - zumindest einen existenzsichernden Lohn zahlen, dann würde ein 29-Euro T-Shirt hier im Laden gerade mal 50 Cent mehr kosten.

Foto: Stephan Schütze
Sie berichteten über Armutslöhne von Textilarbeiterinnen in Osteuropa (v.l.): Dr. Bettina Musiolek und Corina Ajder. Rechts neben ihnen Dietrich Weinbrenner von der MÖWe und Jasmin Geisler vom IZ3W.