12.11.2018

"Auf dass ihr niemals vergessen werdet"

Gedenken an die Reichspogromnacht in der Stadtkirche St. Petri

324 Namen liegen schwarz auf weiß in der Mitte der Stadtkirche St. Petri. Namen von 324 Dortmundern und Dortmunderinnen jüdischen Glaubens, die im Juli 1942 vom Südbahnhof aus in das Lager Theresienstadt deportiert wurden. Die Erinnerung an sie alle ebenso wie an die Ereignisse am 9. November 1938 stand im Mittelpunkt des Ökumenischen Gedenkens, veranstaltet von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund e.V. (GCJZ), der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Stadtkirche St. Petri.

Die Ereignisse in der Pogromnacht stellten den Anfang der Entrechtung und systematischen Vernichtung der Juden dar. Stadtkirchenpfarrerin Christel Schürmann betonte in ihrer Begrüßung, dass auch Christinnen und Christen sich an den Verbrechen beteiligten oder diese hinnahmen. Umso wichtiger sei das Gedenken und das Eintreten gegen Judenfeindschaft und Antisemitismus in der heutigen Zeit.

Celine Lau und Vivien Urbaniak, Schülerinnen der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Dortmund-Huckarde, berichteten eindrücklich über die Ereignisse während des Novemberpogroms in Dortmund. Die Synagoge an der Semerteichstraße in Hörde wurde in der Nacht in Brand gesetzt, die Synagoge in Dorstfeld demoliert und mit Hetzparolen beschmiert. Bereits vor dem Pogrom hatte der Abriss der Synagoge am Hiltropwall begonnen. Die jüdische Gemeinde hatte die Synagoge, die größte in Westfalen, zwangsverkaufen müssen, den Kaufpreis aber nie erhalten.

Am Friedensplatz 8 erinnern Stolpersteine an das Leben der jüdischen Familie Schanzer. Von ihrem Schicksal berichteten bei der Veranstaltung die Schülerinnen Adelina Yenikeyeva und Pamela Bäse. Viktor Schanzer war ein Dortmunder Verleger, dessen Anzeigenagentur bereits 1933 vom Markt verdrängt wurde. In der Pogromnacht zerrte der Mob die Familie auf die Straße, bedrohte und schlug sie. Die Familie verlor in der Folgezeit ihre Existenzgrundlage, über sein Vermögen durfte Viktor Schanzer nur noch nach Genehmigung verfügen.

Zwei Kindern gelang die Flucht, die Spur der Geschwister Julius, Helma und Alice verliert sich nach ihrer Deportation im April 1942 in das Ghetto Zamość. Viktor Schanzer war einer der 324 Juden, die drei Monate später in „einem langen, für alle sichtbaren Zug“ von Menschen vom Sammellager zum Dortmunder Südbahnhof getrieben und nach Theresienstadt deportiert wurden. Dort verstarb er im Oktober desselben Jahres.

Im Gedenken an alle deportierten Dortmunder und Dortmunderinnen entzündeten die Besucher und Besucherinnen Kerzen und erleuchteten den Gedenkweg. Die Violinistinnen Freya Deiting und Julia Frede begleiteten die Veranstaltung auf bewegende Weise mit traditionellen jüdischen Melodien.

Foto: Stephan Schütze
Sigrid Schäfer (GCJZ), Superintendent der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche Burkhard Kurz (ACK) und Pfarrerin Christel Schürmann (v.l.) luden zur Erinnerung an die Reichspogromnacht in St. Petri ein. Foto: Stephan Schütze