27.01.2017 // Holocaust-Gedenktag

Auf der Flucht

Ein „Jahrhundertverbrechen“ war es, ein „nie dagewesener Zivilisationsbruch“. So Bürgermeisterin Birgit Jörder beim Holocaust-Gedenktag über die Nazi-Verbrechen.

Holocaust-Gedenktag machte Schicksal jüdischer Emigranten zum Thema

Ein „Jahrhundertverbrechen“ war es, ein „nie dagewesener Zivilisationsbruch“. So Bürgermeisterin Birgit Jörder beim Holocaust-Gedenktag über die Nazi-Verbrechen. „Nie zuvor hat ein Staat ganze Menschengruppen vernichtet.“

Eingeladen zum Gedenken daran hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund (GCJZ) am 26. Januar in der Bürgerhallte des Rathauses. Mitveranstalter waren das Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises, die Volkshochschule, die Auslandsgesellschaft, der Jugendring, die Gedenkstätte Steinwache und das Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk.

„Auf der Flucht, Schicksale jüdischer Emigranten“ war der Abend überschrieben. Denn, so Georg Borgschulte von der GCJZ, „vor 80 Jahren stand für viele Juden in Deutschland die Frage an, ob eine Emigration oder auch eine Flucht aus Deutschland möglich ist.“

Allerdings war kein Land bereit, die bedrohten Juden aufzunehmen.
Der Dortmunder Historiker Fischer rechnete auf dem Gedenktag vor: Hätten alleine die USA, Großbritannien und Schweden die Grenzen aufgemacht, dann wären nicht nur die Juden aus Deutschland und dem später annektierten Österreich gerettet worden.

Konkret für Dortmund: 4.500 Juden lebten 1933 hier, so Fischer. Geflohen sind 2.400. „Leider haben nicht alle sichere Länder erreicht“. Der große Teil, denen die Flucht in die westlichen Nachbarländer gelang, wurde nach deren Besetzung in die Vernichtungslager deportiert.

Mit dabei war die Familie von John Löwenhardt. Sein Vater, so berichtete er in einer Talkrunde mit dem Journalisten Alexander Völkel, ist in Lindenhorst geboren und 1935 nach Holland geflohen. Er hat überlebt, doch Löwenhardt schätzt, dass die Hälfte bis zwei Drittel seiner Familie ermordet wurden. „Schon als Kind wusste ich, dass meine Großeltern im Vernichtungslager umgekommen sind.“

„Das Verschweigen der Verbrechen tilgt keine Schuld“, so Bürgermeisterin Jörder. Doch sie sei Verpflichtung, heute denen, die vor Gewalt und Terror flüchten, „eine sichere Heimstatt zu geben.

Erzwungene Emigration

Eine halbe Million Juden lebten 1933 in Deutschland. Ihre beginnende Entrechtung nach der Machtübernahme der Nazis traf sie wie ein Schlag. Schließlich waren sie deutsche Staatsbürger, Deutschland ihre Heimat. Auch deshalb war zunächst nur eine Minderheit bereit, diese Heimat einfach zu verlassen.

Erst als mit dem Novemberpogrom1938 klar wurde, dass ein Verbleiben in Deutschland lebensgefährlich werden könnte, stiegen die Auswanderungszahlen. Erzwungene Emigration oder Flucht kosteten Geld und Kontakte; sämtliches Vermögen musste zurückbleiben. Außerdem brauchte man Einreisegenehmigungen.

Hatten die Nazis in den ersten Jahren zwar eine Auswanderung akzeptiert, so hatten andere Staaten den jüdischen Emigranten allerdings Schutz verwehrt. 1938 gab es auf der internationalen Konferenz in Evian viel „humanitäre Beschwörungs- und Mitleidsrethorik“ (Heiko Kauffmann von Pro  Asyl), doch keiner der anwesenden Vertreter von 32 Staaten erklärte sich bereit, jüdische Menschen aus Deutschland oder Österreich aufzunehmen.

Foto: Stephan Schütze
Zum Holocausts-Gedenktag hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in das Rathaus eingeladen.