Liebe Leserin, lieber Leser,
„Fürchtet Euch nicht!“ Selten war der Zuruf der Engel nötiger angesichts der aktuellen politischen Lage zuhause und in der Welt. Ich weiß, auch in früheren Jahren wurde dieser Satz angesichts vergangener Krisen mehrfach zitiert. Je nach Situation hatte er auch damals schon seine jeweilige Berechtigung. Es ist aber vielleicht nicht nur mein persönlicher Eindruck. Die Krisen werden immer dramatischer und deren Anzahl wird immer mehr. Lösungen oder wenigstens Lösungsansätze sind nur wenige in Sicht. In den aktuellen Krisenzeiten erneut mit den Worten „Fürchtet Euch nicht“ ermutigt zu werden, klingt da schon fast etwas naiv und oberflächlich. Zu allem Überfluss kommt auch noch die Advents- und Weihnachtszeit daher, die ja als kirchliche Jahreszeit friedliche und harmonische Akzente setzen will.
„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“, so lautet diese berühmte Szene aus dem 2. Kapitel des Lukasevangeliums.
Wie sehr wünschte ich mir die Klarheit des Herrn für diese Welt, aber auch für mich persönlich. Mich ängstigt eher das aktuelle Dunkel. Was mich jedoch an diesem Zuspruch der Engel fasziniert, ist der Wechsel der Blickrichtung. Der Blick wird weggeführt vom umgebenden Dunkel hin zum Licht des Weihnachtssterns und zu der Freude, die mit dem Weihnachtsgeschehen verbunden ist. Führen die trüben Gedanken und Stimmungen nicht dazu, die vielen, kleinen, schönen Dinge zu übersehen und sie damit zu missachten? Es gibt viele Begegnungen, Veranstaltungen oder Momente, die sich bewusst wahrzunehmen lohnen. Einige können Sie auch unserer Seite zum Advent entdecken.
Gottes Wort will uns aus dem Dunkel hinaus ins Licht führen. Diese Hoffnung will ich noch nicht gänzlich aufgeben. Es sind schwere Zeiten und es bleiben wahrscheinlich noch lange schwere Zeiten. Mit einem mutig gesprochenen „Trotzdem“ gilt es Menschlichkeit und Würde neu zu entdecken und zu bewahren. Unser Blick möge sich dabei auf all das Kleine richten, wie diesen kleinen Gott in der Krippe. Möge das uns die Kraft geben, gemeinsam dem Dunkel entgegenzutreten.
Ihr Michael Stache,
Ständig Stellvertretender Superintendent
des Ev. Kirchenkreises Dortmund