27.01.2016 // Islamseminar

Bibel und Koran: Flüchtlinge schützen

Über „Flucht und Migration zur Zeit unserer Religionsgründer und heute“ referierten Pfarrer Niels Back und Imam Ahmad Aweimer beim Islamseminar.

Islamseminar zum Thema „Flucht und Migration“

Pfarrer Niels Back konnte es nicht oft genug betonen: Die Bibel ist durchtränkt von Erfahrungen der Flucht und der Migration, sie stellt den Schutz der Flüchtlinge in den Mittelpunkt. Zusammen mit Imam Ahmad Aweimer, Sprecher des Rats der Muslime, referierte er beim Dortmunder Islamseminar zum Thema „Flucht und Migration zur Zeit unserer Religionsgründer und heute“.

Was sich akademisch anhört, wurde zu einem engagierten, theologisch begründeten Plädoyer, ohne Wenn und Aber den Menschen auf der Flucht zu helfen.

Aweimer und Back gestalteten den ersten Abend des Islamseminars im Themenreigen des Jahres 2016 bewusst zu dieser Fragestellung. Denn, so der Moderator Hans Steinkamp, „das Thema Flucht und Einwanderung hat uns im letzten Jahr besonders intensiv beschäftigt, gerade die Menschen aus dem Bereich der christlichen Kirchen und der Moscheegemeinden.“

Die Vorgabe aus dem Koran sei eindeutig. Damit machte Aweimer den Aufschlag: „Der Muslim muss Schutz gewähren.“ Aweimer bezog sich unter anderem auf die Sure 9, Vers 6, die von einem Gläubigen erwartet, selbst den schlimmsten Feind zu schützen, sofern er darum bittet.

Flankiert würden die Gebote des Koran von den geschichtlichen Erfahrungen der Menschheit: „Menschen und Migration sind eine Einheit.“ Aweimer weiß, wovon er spricht, ist er selbst doch in Palästina geboren und kann seine Wurzeln bis nach Saudi-Arabien zurückverfolgen. 

Haben Muslime schon in den ersten Generationen Auswanderungserfahrungen gemacht - von Mekka nach Medina und nach Abessinien, so erzählt auch die Bibel Entsprechendes. Abraham, Sara, Isaak, Mose, David – sie alle seien Flüchtlinge gewesen, erläutert Back.

Unter ihnen gebe es auch solche, die man heute herabsetzend „Wirtschaftsflüchtlinge“ nennen würde. Doch die Bibel, die gerade aus der Perspektive der Flüchtlinge erzählt, mache deutlich: „Nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern die Verhältnisse, unter denen sie leben müssen.“ 

Die jüdisch-christliche Tradition erzähle die entscheidenden Gotteserfahrungen als Fluchtgeschichten. Im Neuen Testament identifiziere sich Gott so radikal mit Flüchtlingen, dass er in Jesus selbst zum Flüchtling wird.

Kein Wunder, dass in der Bibel ähnlich deutliche Gebote wie im Koran zu finden sind: Flüchtlinge sind so zu behandeln, wie Einheimische, mit ihnen ist Nahrung, Unterkunft und Kleidung zu teilen.

Foto: Stephan Schütze
Beim ersten Islamseminar 2016 ging es um das Thema Flucht und Vertreibung. Referenten waren Imam Ahmad Aweimer (rechts) und der evangelische Pfarrer Niels Back (Bildmitte). Das Gespräch moderierte Hans Steinkamp (links).