29.09.2017

Bildung ist Selbstzweck

Alt-Bischof Wolfgang Huber in St. Reinoldi

Dass er ausgerechnet zu Beginn dieses nordrhein-westfälischen Tags für Lehrerinnen und Lehrer sprechen dürfe, freue ihn besonders, sagte Alt-Bischof und Ex-EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber in der Dortmunder Reinoldikirche. Denn unmittelbar zuvor hatten die westfälische Präses Annette Kurschus, der Lippische Landessuperintendent Dietmar Arends und der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker die Vereinbarung „Ökumenisch Zukunft gestalten“ für einen kooperativen Religionsunterricht unterzeichnet.

„Damit setzen Sie eines der mächtigsten ökumenischen Signale dieses Reformations-Jubiläumsjahres“, lobte Huber. In seinem Vortrag skizzierte er die Reformation als grundlegende Bildungsbewegung, nicht allein in historischer Rückschau sondern vielmehr aus theologischer Sicht.

Der reformatorische Aufbruch habe nicht Abgrenzung sondern allein die Konzentration auf das Evangelium zum Ziel gehabt, erläuterte Huber. Martin Luther selbst habe lange Zeit die Frage umgetrieben: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Erst als es ihm gelungen sei, die Frage aus anderer Perspektive zu stellen, etwa: „Worin zeigt Gott seine Gnade?“, habe er erkennen können, dass nicht die eigene Forderung sondern das Wahrnehmen dessen, was einem anvertraut sei, Vorrang habe. Daraus wiederum, so Huber weiter, habe sich Luthers strikte Trennung zwischen dem Ansehen der Person und ihres Handelns ergeben. „Das ist der Kern der Reformation“, sagte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. „Alle Menschen sind um ihrer selbst Willen in gleicher Weise wertvoll.“

Weil das so sei, habe sich Luther vehement für einen allgemeinen Zugang zu Bildung ohne ständisch begründete Abstufungen eingesetzt. Denn Bildung habe für alle gleichermaßen ihr Verhältnis zu Gott erleichtern sollen. Darüber hinaus habe sich aus der reformatorischen Sicht auch die Verantwortung jedes einzelnen für das Gemeinwesen ergeben, der man mit möglichst hohem Bildungsstand besser nachkommen konnte.

Grundsätzlich wandte sich Wolfgang Huber gegen eine „Verzwecklichung“ von Bildungsinhalten. Er bezog sich dabei auf den Theologen Friedrich Schleiermacher, der es schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts für „unchristlich“ gehalten habe, nur das zu lehren, was für eine bestimmte Funktion nötig sei. So postulierte Huber eine zweckfreie Bildung ohne Zugangsbarrieren, die neben Wissen auch die Befähigung zu Verantwortung vermittelt.

Bezogen auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen forderte der Alt-Bischof, nicht in der Kritik populistischer Konzepte zu verharren. Vielmehr sei es entscheidend, in Bildung zu investieren und so allen Kindern und Jugendlichen die Frustration zu ersparen, nicht ihre Talente entwickeln zu können. Huber wandte sich auch gegen eine „negative Religionsfreiheit“, also die Freiheit vor der Religion in den Schulen. Vielmehr brauche es eine Freiheit für die Religionen. Abschließend mahnte der Theologe, den jungen Menschen nicht durch vorgelebtes Verhalten die Werte auszutreiben, nach denen sie sich eigentlich sehnten.

 

Foto: Stephan Schütze
Altbischof Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber (Bildmitte) hielt den Hauptvortrag beim vierten Tag für Lehrerinnen und Lehrer. Fotos: Stephan Schütze