20.04.2017 // Gehörlosenseelsorge

Brücke zwischen den Welten

Hendrik Korthaus ist Gehörlosenpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund. Als Hörender bewegt er sich zwischen den beiden Welten.

Pfarrer Hendrik Korthaus fördert den Austausch zwischen Gehörlosen und Hörenden

Sprache, so sagt man, ist der Schlüssel zur Teilhabe. Nur so kann man sich über Ansichten und die eigene Kultur austauschen. Sprache lernen die Menschen über das Hören. Und Gehörlose? Sie haben eine eigene Sprache mit eigener Grammatik, und sie haben eine eigene Kultur.

Gehörlose leben mitten in Deutschland in einer eigenen Welt. Man erkennt sie, im Gegensatz zu Rollstuhlfahrern oder Blinden, im Straßenbild nicht – es sei denn, sie sind mindestens zu zweit und unterhalten sich.

Die reichhaltige Welt der Gehörlosen bleibt den meisten Hörenden verschlossen, das weiß auch Hendrik Korthaus. Der Gehörlosenpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund ist als Hörender geboren und hat die Gebärdensprache gelernt. Er bewegt sich zwischen beiden Welten und kennt seine Defizite: „Ich als Hörender werde nie so schnell und perfekt gebärden können wie die meisten Gehörlosen.“

Und die Gruppe der Gehörlosen ist längst nicht so homogen, wie man meint. Es gibt die gehörlosen Kinder von gehörlosen Eltern, es gibt die gehörlosen Kinder hörender Eltern, es gibt die hörenden Kinder gehörloser Eltern, es gibt die Schwerhörigen und die später Ertaubten. Sie alle haben eine andere Beziehung zur Sprache – der deutschen Gebärdensprache und der Sprache der Hörenden. Manche lesen von den Lippen ab und lautieren. „Jede dieser Gruppen hat andere Probleme“, sagt der Seelsorger. Ihnen allen ist gleich, dass sie es gewohnt sind, täglich an ihre Grenzen zu stoßen.

Henrik Korthaus feiert regelmäßig mit Gehörlosen- Gottesdienste: Jeden zweiten Sonntag im Monat trifft man sich um 14.30 Uhr in der evangelischen Stadtkirche St. Georg in Lünen – mit anschließendem Kaffeetrinken und Austausch. „Das ist besonders schön, dass wir hier die Kirche nutzen können. Das ist in Dortmund leider nicht so.“ Dort trifft man sich an jedem ersten Donnerstag im Monat ebenfalls um 14.30 Uhr zum Gottesdienst im Sozialen Zentrum an der Westhoffstraße. Die Kirche St. Georg ist auch Schauplatz für Regionalgottesdienst zu großen Kirchlichen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten.

Alle zwei Jahre bietet Hendrik Korthaus – in Absprache mit der Rheinisch-Westfälischen Realschule mit Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation an der Uhlandstraße – Konfirmandenunterricht an. Er hat eine Altenstube im Sozialen Zentrum Westhoffstraße und einen Gebärdenstammtisch in der Depothek eingerichtet. „Letzterer ist auch für Hörende eine gute Möglichkeit, mit Gehörlosen in Kontakt zu kommen.“ Er ist für alle offen: jeweils am ersten Dienstag im Monat an 18.30 Uhr an der Immermannstraße 29. In Lünen gibt es außerdem an jedem zweiten Mittwoch im Monat den Mittwochstreff.

Hendrik Korthaus arbeitet bei der Gehörlosen-Seelsorge auch auf überregionaler, bundesweiter und internationaler Ebene. „Andere Länder sind schon viel weiter, beispielsweise was gehörlose Theologen oder andere Akademiker angeht“, sagt er

 Auf Korthaus‘ Betreiben gibt es im Minna-Sattler-Heim an der Mergelteichstraße einen pflegerischen Schwerpunkt für gehörlose Senioren. Bis zu 20 Gehörlose leben dort. Kein Wunder, dass es dort auch regelmäßig ein Gebärdencafé gibt. Denn wie gesagt: Kommunikation und Austausch sind alles.

Foto: Ev. Kirchenkreis Dortmund
Pfarrer Hendrik Korthaus bei einer Andacht im Gemeindezentrum St. Georg Lünen.