24.09.2020

Die Chiffre erkennen

Rechtsextremismus in Kindergarten und Schule

Oft erkennt man es nicht einmal auf den zweiten Blick. Rechtes Gedankengut verbirgt sich nicht selten hinter unscheinbaren Fassaden. Auch in Kindertageseinrichtungen und schulischen Einrichtungen des offenen Ganztags sind Vertreterinnen und Vertreter der rechten Szene meist nicht auf Anhieb auszumachen. Aber auch hier treten sie in Erscheinung. Denn auch Familien aus rechtsextremen Kreisen nutzen Betreuungsplätze in Kindergärten. Dabei spielt es nur selten eine Rolle, ob diese konfessionell oder nichtkirchlich geführt werden.

Wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kindergärten und im offenen Ganztag erkennen können, dass sie es mit Menschen rechtsextremer Gesinnung zu tun haben und wer überhaupt zur ‚rechten Szene‘ zu rechnen sei, das war Inhalt einer Fortbildung, die das Bildungswerk des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund für Erzieherinnen und Erzieher anbot. Auch Ratschläge, wie man sich im Falle von rechtsextremen Einflüssen in der eigenen Einrichtung verhalten kann, waren wichtiger Bestandteil der Fortbildung.

Wenn die rechte Gesinnung auch nicht immer unmittelbar zutage tritt, so sind die Kinder betroffener Familien ständig den Verhaltens- und Denkmustern ausgesetzt, die ihr Umfeld prägen. Darum zu wissen und, wo möglich, erzieherisch dagegen zu wirken, ist für Mitarbeitende in Einrichtungen für Kinder wichtig.

Dass es nicht einfach ist, Menschen mit rechtsextremer Gesinnung auszumachen, das machten zu Beginn des Fortbildungstages Pfarrer Friedrich Stiller und Sabine Fleiter vom Synodalausschuss für gesellschaftliche Verantwortung klar. Sie luden die Teilnehmer/innen ein zu ihrem Stadtrundgang: „Rechtsextremismus in Dortmund – eine Stadt wehrt sich“. Der startete am Platz der Alten Synagoge und führte zu verschiedenen Orten in der Dortmunder Innenstadt, die historisch mit Rechtsextremismus und dem Kampf dagegen in Verbindung stehen. Mit dabei war auch der Beauftragte der Stadt Dortmund für Vielfalt, Toleranz und Demokratie Manfred Kossack, der die Erzieherinnen und Erzieher vor der Alten Synagoge begrüßte.

„Die Zeit der Skinheads ist vorbei“, erläuterte Friedrich Stiller die Schwierigkeit der offenkundigen Zuordnung. Längst habe die rechte Szene sich auf modernes Outfit, zeitgemäßes Layout ihrer Publikationen und vermeintlich bürgerliches Auftreten verlegt. Effektvoll genutzt würden zudem soziale Medien. Auf diese Weise gelinge es, die junge Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 25 Jahren anzusprechen.

Nicht verändert hätten sich indes die menschenverachtenden Aussagen, die Vertreter/innen der Gruppierung vertreten und vermittelten. Sie richteten sich nach wie vor gegen alles, was in ihren Augen als „nicht-deutsch“ zu betrachten sei, gegen Juden und Muslime, gegen Minderheiten und kulturelle Vielfalt. Dabei sei die Bereitschaft zu Gewalt hoch.

Es gelte, die Chiffrierung zu erkennen, mit der rechtsextreme Aktivisten ihr Handeln verschlüsseln, sagte Friedrich Stiller. So gebe es einzelne Symbole und Merkmale – etwa Zahlenkombinationen oder versteckte Embleme -, mit denen Mitglieder ihre Zugehörigkeit zur Szene zeigten.

Ziel müsse es bleiben, dass rechtsextreme und menschenverachtende Parolen in den Kindertageseinrichtungen und Schulen keinen Raum gewinnen, so Diakonin Angela Wolf vom Evangelischen Bildungswerk, die zu der Fortbildungsveranstaltung eingeladen hatte. Und auch Pfarrer Jochen Schade-Homann, Bereichsleiter und Geschäftsführer der evangelischen Kindertageseinrichtungen in Dortmund, Lünen und Selm, stellte in seiner Begrüßung klar, dass rechtsextremes Handeln in den Einrichtungen keinen Platz habe: „Wer gegen die Würde des Menschen verstößt, verliert seinen Kindergartenplatz.“

Foto: Stephan Schütze
Die Fortbildung für Erzieherinnen und Erzieher startete am Platz der Alten Synagoge mit einem Rundgang zu städtischen Orten, die mit Rechtsextremismus und dem Widerstand dagegen verbunden sind.
Foto: Stephan Schütze