Und als die beliebte Erzieherin kurz vor den Sommerferien in der voll besetzten Lutherkirche in den Ruhestand verabschiedet wurde, da waren auch zahlreiche ehemalige Schützlinge unter den mehr als 300 Gottesdienstbesuchern, die sich für die schöne, gemeinsame Zeit bedankten. Sogar Eltern der zweiten Generation, die selbst als Kind bei „Tietzi“ waren und nun auch den eigenen Nachwuchs dem Hörder Familienzentrum anvertrauen. Viele haben sich beim anschließenden gemeinsamen Essen persönlich von ihr verabschiedet. „Das hat mich sehr gefreut“, sagt sie, „es zeigt, dass unser Weg der richtige war.“
Ihr „Handwerk“ hat Gabriele Tietz von der Pike auf gelernt. Erst wurde sie Kinderkrankenschwester, dann Erzieherin und schließlich Sozialpädagogin. Zehn Jahre lang war sie als Heimerzieherin für geistig und körperlich benachteiligte Kinder und Jugendliche zuständig. 1990 kam sie als Integrationsfachkraft fürs Diakonische Werk in den Kindergarten Zum guten Hirten nach Hörde; 1996 übernahm sie die Leitung – und blieb, bis heute.
Die Strukturen ändern sich. Die Familien auch.
Die Strukturen änderten sich, die Familien auch. Die Kinder blieben immer länger in der Einrichtung. „Wir waren in Hörde der erste Kindergarten, der schon Mitte der 90-er Jahre durchgehend von 7 bis 14 Uhr geöffnet hatte, also 35 Stunden pro Woche. Und wir gehörten zu den ersten, die als Familienzentrum zertifiziert wurden“, erinnert Gabriele Tietz sich stolz.
In den 90-er Jahren war Dortmund-Hörde vor allem eines: sozialer Brennpunkt. Durch den Bau des Phoenix-Sees auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks hat sich in den vergangenen zehn Jahren vieles verändert; mit den begehrten Grundstücken kam auch eine neue Klientel in die Kita. Hier der Brennpunkt mit vielen Nationen, dort zogen die gut situierten Familien am See ein – auch das eine Herausforderung, die das Team des Guten Hirten zu meistern weiß: „Es hat immer gut funktioniert“, sagt Tietz, „es sind Freundschaften entstanden, und nicht wenige Eltern haben gesagt, ihr Kind soll das wahre Leben kennenlernen.”
Ein Netz, das viel aushält und alle mitnimmt
Das Familienzentrum war immer mittendrin und hat nach allen Seiten ein Netz gesponnen, das viel aushält und alle mitnimmt. Und Früchte trägt: „Als Netzwerk im Programm Qualität vor Ort haben Sie sich auf den Weg gemacht, ein gutes Umfeld für Familien und Kinder in Ihrer Kommune zu schaffen. Dabei haben Sie zur Qualität in der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung entscheidend beigetragen: damit alle Kinder in Dortmund-Hörde von klein auf die besten Chancen haben“, heißt es etwa in der Urkunde des bundesweiten Programms „Qualität vor Ort“, die dem Zentrum vor einigen Jahren verliehen wurde. Vieles ist gewachsen in der langen Zeit. An Strukturen, an Projekten, an Kooperationen und Kontakten. „Von Anfang an haben wir mit dem Jugendamt zusammengearbeitet, mit der Stadt, mit den Beratungsstellen hier in Hörde. Als Familienzentrum nehmen wir auch an den Stadtratssitzungen teil. Wir kennen uns alle hier schon seit 25, 30 Jahren.“
Jedes Kind bekommt die Hilfe, die es braucht
Irgendwann platzte das Haus aus allen Nähten. „Wir haben uns gefreut, als die Kirchengemeinde neu gebaut hat, weil plötzlich viel mehr möglich war“, erzählt Gabriele Tietz. 2011 wurde das neue Gebäude eingeweiht, das nun Platz für vier Gruppen hat, Kinder von drei Monaten bis sechs Jahren aufnimmt und räumlich viel Erleichterung brachte – auch für das besondere Therapieangebot: Schon vorher kamen Kooperationspartner, zur Physio- und Ergotherapie, Motopädie und Logopädie mit den Kita-Kindern, damals noch ins benachbarten Gemeindezentrum. Das ist eine verlässliche Hilfe und große Erleichterung für Eltern, deren Kinder Förderung per Rezept verordnet bekommen haben: Die Koordination übernimmt das Familienzentrum, und sie müssen nachmittags nicht noch mal mit dem Kind los. Auch Sprachkurse für Familien mit Migrationshintergrund werden schon seit den 1990-er Jahren angeboten, früher im Gemeinde-, heute im Familienzentrum. Noch viele weitere Angebote hat Gabriele Tietz mit ihrem Team auf den Weg gebracht – etwa die altersintegrierte Sprachförderung oder den besonderen Übergang zur Grundschule, für den der Gute Hirte zusammen mit der Weingartenschule in Berlin zertifiziert wurde. Teilhabe ist ihr wichtig, Gemeinschaft – und dass alle Kinder ein warmes Mittagessen bekommen. Die Kita nimmt teil am Projekt „Miteinander essen“, das Pfarrer Martin Pense unter Mithilfe der evangelischen Kirchengemeinde Hörde ins Leben gerufen hat: Es springt da ein, wo die Eltern das Mittagsgeld nicht aufbringen können.
Das Team des Familienzentrums arbeitet seit Jahren zusammen. Ein Teil hat sogar die Ausbildung hier absolviert, auch die neue Leiterin Sabine Novak ist schon seit 2011 dabei. Ein fließender Übergang – in den Sommerferien hat Gabriele Tietz ihre Nachfolgerin sogar noch mal vertreten. Und nun? Erst mal tu‘ ich mir die Ruhe an“, lacht die frisch gebackene Rentnerin, die natürlich schon Pläne hat: „Mein Mann ist ab dem 1. September im Ruhestand und wird unserer Tochter und ihrer Familie hier in Dortmund beim Bauen helfen. Ich kümmere mich um unsere Enkelin, sie ist drei und auch schon in der Kita. Und natürlich unterstütze ich Haus und Leitung weiterhin – ich freu‘ mich schon auf den Martinszug!“