08.10.2024

Die „richtigen“ Worte. Gibt es die überhaupt?

Ein Jahr ist vergangen seit dem brutalen, zerstörerischen Terrorangriff der Hamas auf Israel. Auf dem Ostenhellweg kamen mehr als 400 Menschen zur Kundgebung des Netzwerks zur Bekämpfung des Antisemitismus.

Der 7. Oktober. Jahrestag. Ein Jahr ist vergangen. Ein Jahr der Tränen. Der Wut. Der Verzweiflung. Aber auch: ein Jahr der Bomben. Der Zerstörung. Des Immer-Weiter-Sterbens. Ein Jahr, in dem nichts besser, aber vieles schlimmer geworden ist. Die Spirale der Gewalt, der Eskalation scheint nur noch eine Richtung zu kennen.

Und wieder stellt sich die Frage: Wie umgehen mit der Situation? Als Nicht-Jüdin. Als Nicht-Muslima. Als eigentlich Nicht-Betroffene – trotz des eigenen Mitgefühls und bei aller Trauer. Egal, was man sagt, oder nicht sagt, jedes Wort, aber auch jedes Schweigen wird gewertet, interpretiert, und oft genug falsch verstanden. Ein Dilemma, das das Zusammenleben schleichend vergiften kann.

Ein Jahr ist vergangen seit dem brutalen, zerstörerischen Terrorangriff der Hamas auf jüdisches Leben in Israel. Für die Überlebenden, die Angehörigen und Freund*innen ist seither nichts mehr so, wie es war. Davon berichten auf einer Kundgebung vor der Reinoldikirche in Dortmund am Montagabend zwei junge Erwachsene, die sich 18 Stunden lang vor den Angreifern versteckten und die wie durch ein Wunder überlebt haben. Es fließen Tränen. Bei denen, die sprechen, und bei denen, die zuhören.

Mehrere hundert Menschen sind auf den Hellweg gekommen, um ihre Solidarität zu zeigen, um an die zu denken, die noch immer gefangen gehalten werden in irgendwelchen dunklen Tunneln unter der Erde. Im Publikum u. a. Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov und Heike Proske, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, viel Polit-Prominenz und natürlich Dortmunder Bürgerinnen und Bürger, denen das Schicksal der Verschleppten nahe geht. 101 Männer, Frauen und Kinder fehlen seit dem 7. Oktober 2023 – wie es ihnen geht, ob es ein Wiedersehen geben wird, niemand weiß es. „Bring them home now“ – fordern alle Redner*innen, die auf Einladung des Netzwerkes zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund heute auf der Bühne stehen.

Und noch ein Wunsch eint die Redner*innen, unter Ihnen auch Annette Back für den Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund: Der Wunsch, dass der zunehmende Antisemitismus in Deutschland nicht achselzuckend hingenommen werden soll. Dass die Gesellschaft weder gleichgültig noch emotionslos darüber hinweggeht, wenn Jüdinnen und Juden bedroht oder angegriffen, wenn Synagogen beschmiert werden. „Jüdinnen und Juden in Deutschland sind Deutsche. Und keine Repräsentanten Israels“, formuliert die Pfarrerin ihre klare Haltung gegen Anfeindungen und Antisemitismus.

„Die Hoffnung auf ein selbstverständliches jüdisches Leben in Deutschland hat sich seit dem 7. Oktober zerstört“, formuliert Zwi Rappoport, Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, nachdenklich und sichtlich bewegt. Und mahnt, als einer, der sich seit Jahren für interreligiösen Dialog einsetzt: „Keine Demonstration in Deutschland wird den Nahost-Konflikt lösen. Wir setzen uns ein für gegenseitige Empathie, für Respekt und Toleranz. Es geht uns um das Zusammenleben vor Ort. Wir alle sind Dortmund!“

480 Menschen kamen zur Kundgebung des Netzwerks zur Bekämpfung des Antisemitismus.
Foto: Mark Fäth