„Hallo!“ Wiederholt dringt ein fröhliches Hallo über den Bahnsteig. Und dann sehe ich sie: Über die Schienen hinweg winkt eine Studienkollegin mir freundlich zu. Und ich zurück. Ein kurzer Moment. Gesehen werden. Sehen. Freude spüren über Kontakt. Verbundenheit. Ohne viele Worte. Nur mit einem Blick. Und einem kleinen „Hallo“!
Sofort hat sich meine Laune gebessert. Und meine Sicht auf den Tag. Alles sieht unerwartet erträglicher aus.
Schön, wenn es solche Augenblicke im Leben gibt! Manche helfen uns durch den Tag, andere sind lebens-wichtig. Wenn eine Autofahrerin nachts im letzten Augenblick vor einem Zusammenstoß die dunkel gekleidete Person auf der Straße vor sich sieht und gerade noch bremsen kann. Gesehen. Noch mal Glück gehabt. Beide.
„Du bist Gott und Du siehst mich!“ Das ist das biblische Wort für das Jahr 2023. Ein Wort aus dem ersten Buch der Bibel. Hagar sagt dies, eine Frau in verzweifelter Lage. Hagar war Sklavin bei Sara, der Frau des Patriarchen Abraham. Da Sara keine Kinder hatte, sollte Hagar nun Leihmutter werden. Das veränderte ihr Verhältnis zu ihrer Herrin. ‚Du willst, dass ich dein Kind bekomme. Dann sag ich jetzt, wie es läuft!‘ Doch mit Unterstützung Abrahams weist Sara Hagar in die Schranken, drangsaliert sie und treibt sie schließlich in die Flucht.
Sie geht in die Wüste. An einer Wasserquelle spricht ein Bote Gottes zu ihr: ‚Du, Hagar, bist wichtig. Von dir werden viele erzählen. Dein Selbstwertgefühl kommt von Gott, nicht von anderen Menschen!‘
Hagar blickt auf. Der Bote Gottes sieht ihr direkt in die Augen. Er lächelt. Sein Blick trifft ihr Innerstes. Das Engellächeln breitet sich in Hagar aus, richtet sie auf, wird Zuversicht. Dank keimt auf für den Blick-Wechsel. „Du bist Gott und Du siehst mich!“ Sie blickt dem Engel hinterher, nimmt seine Perspektive ein – für das Leben, für sich selbst.
Gott sieht dich. In deinen glänzenden Momenten und in den traurigen. Mit all deinen Schwächen und Stärken bist du angesehen bei Gott. Du bist wichtig. Einfach, weil du – du - bist.
Nicht aufgrund dessen, was du tust, was du leistest oder in welchen Beziehungen du stehst. Dieses JA Gottes zu unserem Sein ist es, was wir „Würde“ nennen. Diese Würde, dieser Wert, kann uns nicht genommen werden.
Hagar bekommt in der Wüste des Lebens ein neues, ein klares Bild von sich selbst: Du hast deine Würde vor Gott und den Menschen! Du bist gesehen und geliebt! Nimm dich auch selbst an!
Was für eine Zusage für das ganze Jahr 2023!
Heike Proske, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund