06.03.2017 // Antijudaismus in der christlichen Kunst

Ecclesia und Synagoga

Bedächtig, beinahe als Nebensatz, spricht es Prof. Herbert Jochum aus: „Ich habe eine Nebenstraße nach Auschwitz gefunden.“

Ausstellung in St. Petri zeigt Antijudaismus in der christlichen Kunst

Bedächtig, beinahe als Nebensatz, spricht es Prof. Herbert Jochum aus: „Ich habe eine Nebenstraße nach Auschwitz gefunden.“ Jahrelang, jahrzehntelang hat Prof. Jochum Abbildungen der „Ecclesia und Synagoga“ gesammelt, zwei Frauengestalten, die in der christlichen Kunstgeschichte als allegorisches Paar Christentum und Judentum darstellen. Es ist, so Jochum, „mein Lebenswerk“.

Die einzigartige Sammlung von Antijudaismus in der christlichen Kunst ist noch bis zum 5. April in der Stadtkirche St. Petri zu sehen. Auf 70 Bild- und Texttafeln zeigt die Ausstellung Beispiele aus der kirchlichen Monumentalplastik und der sakralen Kleinkunst vom 9. bis zum 20. Jahrhundert.

Zeigen die frühen Werke beide Frauengestalten noch gleichwertig, so verändert sich die Darstellung im Laufe der Jahrhunderte. „Die Szenen werden dramatischer“, sagt Jochum bei der Austellungseröffnung. Die Gestalt der Synagoga wird diffamierend dargestellt, statt Krone setzt man ihr den Judenhut auf, kleidet sie in ein Hurengewandt. Höhepunkt der judenfeindlichen Darstellung sind Abbildungen, die das von Gott selbst mit dem Kruzifix durchbohrte Haupt der Synagoga zeigen.

„Von der Einheit zur Vernichtung“, in diesen wenigen Worten fasst Stadtkirchenpfarrerin Almut Begemann die veränderte Darstellung zusammen. Und Jochum macht die letztlich tödlichen Folgen diese christlichen Bildsymbolik klar: „Noch bevor der Nationalsozialismus zur Tat schritt, waren die Instrumentarien des Antisemitismus in der christlichen Kirche vorbereitet.“

Andrea Auras-Reiffen, Ständig Stellvertretende Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, benennt in ihrer Rede zur Eröffnung der Ausstellung die „Unheilspuren des Protestantismus“: „Schnell schlägt Martin Luther einen antijüdischen Ton an, der Kampf gegen die Juden wird bei ihm zum Kampf um die eigene Identität.“ Luther sei nicht bei theologischen Diffamierungen geblieben, sondern hätte die evangelischen Landesfürsten zu brutaler Gewalt gegen die Juden aufgefordert.

Georg Borgschulte, Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, sieht die Ausstellung als „Beitrag zum Dialog von Juden und Christen“. So zeigt das letzte der Exponate aus dem Jahr 2015, eine Skulpur des jüdischen Bildhauers Joshua Hoffmann, Ecclesia und Synagoga als ebenbürtige Figuren mit deutlicher Kontaktaufnahme zueinander.

  • Die Ausstellung ist bis zum 5. April zu sehen.
    Öffnungszeiten:
    • dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr,
    • donnerstags von 11 bis 19 Uhr,
    • samstags von 10 bis 16 Uhr.

Veranstalter sind die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Ev. Stadtkirche St. Petri und die Katholische Stadtkirche.

Foto: Stephan Schütze
Prof. Herbert Jochum, Ludwig Kaiser, Pfarrerin Almut Begemann, Georg Borgschulte von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Andrea Auras-Reiffer, Ständig Stellvertretende Superintendentin (v.l.)