20.11.2017

Ein eindrucksvolles Erlebnis

Bachs H-Moll-Messe in St. Reinoldi

Reinoldi-Kantor Klaus Eldert Müller brachte es in seiner Begrüßung auf den Punkt: Nicht nur Luther-Pop werde im Jubiläumsjahr der Reformation durch die westfälische Landeskirche gefördert, auch „hochwertige Kirchenmusik“ erklinge. Und das tat sie zweifelsohne am Vorabend des Volkstrauertages in der vollbesetzten Reinoldi-Kirche. Bach´s berühmte H-Moll-Messe hatte sich der „Dortmunder Bach-Chor an St. Reinoldi“ zu seinem 125-jährigen Bestehen ausdrücklich gewünscht – wahrlich ein Höhepunkt im Reigen der zahlreichen Aktionen während des Fest-Jahres 2017.

In eindrucksvoller Harmonie zwischen Chor, Vokalsolisten und der neuen Philharmonie Westfalen erklang das Kolossal-Opus, das offenbar nicht aus einem Guss komponiert, vielmehr vom Leipziger Thomas-Kantor aus unterschiedlichsten Stücken seiner intensiven Schaffenszeit zusammengefügt wurde. 27 Sätze vergegenwärtigen dabei die reichhaltige barocke Musiktradition, ließen auch im gut zweieinhalbstündigen Duktus in Dortmunds City-Kirche zu keiner Minute Langeweile aufkommen, faszinierten, motivierten geradezu zum Mitgehen, ließen eine energiereiche Spannung wachsen, die unter die Haut drängte, nicht allein im Wahrnehmen differenzierender Dynamik und im lebendigen Rhythmus, durch exaktes Schlagwerk markiert.

Eine kluge Entscheidung war es auch, neben dem Gesamtchor kleinere Gesangsgruppen agieren zu lassen. Ohnehin bestimmten ausgewogene Chorstimmen den außergewöhnlichen Musikabend, sorgten die Vokalsolisten -insbesondere Johanna Haecker (Sopran 1) sowie Matthias Horn (Bass- für nachhaltige Eindrücke.  Interessant auch, Bachchor-Mitglied und Reinoldi-Bläserchor-Leiterin Sigrid Raschke im „Sanctus“ als sichere Altistin erleben zu können. Brillierende Trompeten setzten festliche Akzente, Querflöten präsentierten Leichtigkeit und Transparenz, Oboen in Kombination mit dem Cembalo brachten barocke Klangfreude über. Und die Botschaft von der Hoffnung der Auferstehung und des Lebens – sie war im 21. Satz geradezu eine Einheit von Wort und Ton – ohnehin unabdingbar im Leben der Gemeinde. Was wäre schließlich diese Kirche ohne Musik, die nicht nur den Gottesdienst zum Fest werden lässt?

Eingeleitet wurde der Konzertabend mit dem „Kriegslied“ von Karin Haußmann (*1962), einer Auftragskomposition der Evangelischen Kirche von Westfalen, orientiert an Luthers Lied „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“ und am „Kriegslied“ von Matthias Claudius - aktuell angesichts weltweiter Konflikte der Gegenwart, die Frage nach persönlicher Mitschuld aufwerfend. Ein spannungsreicher Musikabend ist zu registrieren, eine der letzten großen Aufführungen unter der Gesamtleitung von Kantor Klaus Eldert Müller, der im nächsten Jahr nach Lübeck wechseln wird, aber gewiss auch am 16. Dezember zahlreiche Musikfreunde in der Dortmunder Reinoldi-Kirche versammelt. Dann steht nachmittags und abends ein keineswegs traditionelles Weihnachtsoratorium an, vielmehr Auszüge aus allen sechs Teilen erklingen als ein besonderes Präsent des Bachchors an das treue „Weihnachtsoratoriums-Publikum“, das sich schon jetzt auf seine „Lieblingsmelodien“ freuen darf

Hartmut Neumann

Foto: Stephan Schütze
Die H-Moll-Messe hatte sich der „Dortmunder Bach-Chor an St. Reinoldi“ zu seinem 125-jährigen Bestehen ausdrücklich gewünscht. Foto: Stephan Schütze