10.11.2017

Erinnern und Trauern

Gedenken in St. Petri an die Pogromnacht 1938.

Schwanenwall 48, in dem Gebäude ist heute ein Restaurant. Vor mehr als hundert Jahren wurde hier Margarete Zacharias geboren. Von den gutsituierten Eltern wohlbehütet, besuchte sie als eines von wenigen Mädchen ein Gymnasium, das damalige Goethe-Lyzeum, eine sogenannte „höhere Töchter Schule“. Ein erfolgreicher Lebensweg schien vor ihr zu liegen. Margarete Zacharias wurde im September 1943 in Auschwitz ermordet. Sie war Jüdin.

Schülerinnen und Schüler des heutigen Goethe-Gymnasiums haben das Schicksal der früheren Schülerin sowie ihrem Ehemann recherchiert. Am 9. November haben sie es in einer bewegenden Gedenkstunde in der Stadtkirche St. Petri vorgetragen. Genau 79 Jahre zuvor markierte der reichsweite Pogrom, in dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte  und Wohnungen zerstörten und Gotteshäuser in Brand setzten, den Übergang von der Verfolgung der Juden zu ihrer Vernichtung.

„Seit vielen Jahren veranlasst uns dieser Jahrestag zusammenzukommen, um zu erinnern und zu trauern“, so Stadtkirchenpfarrerin Christel Schürmann. Erinnern an die Zerstörungen und Verfolgungen, an die Deportationen und Vernichtungen. Doch gleichzeitig sollte der Abend auch eine Mahnung zur Wachsamkeit sein. Angesichts des wachsenden Antisemitismus, „der gesellschaftsfähig zu werden scheint“, zitierte Schürmann einen Ausspruch des  Holocaustüberlebenden und Schriftstellers Primo Levi: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Die Pfarrerin Schürmann beklagte das damalige Schweigen und Mittun der christlichen Kirchen. „Die Glaubwürdigkeit des Christentums hat dadurch einen tiefen Riss bekommen.“

In der Mitte des Kirchenraums war ein eindrucksvolles Gedenkbild gestaltet – mit Namen von Dortmunderinnen und Dortmunder, die vor 75 Jahren ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Theresienstadt war nur eine Durchgangsstation in die Vernichtungslager. Es war „der Vorhof zur Hölle“, wie es eine der Schülerinnen formulierte. 324 jüdische Gemeindeglieder aus Dortmund wurden im Sommer 1942 hierhin deportiert. „Alle zusammen sind wir heute hier“, so die Schülerinnenund Schüler gemeinsam, „weil wir nicht vergessen wollen und weil wir nie wieder wegsehen wollen.“

Zur Gedenkveranstaltung hatten die Stadtkirche St. Petri, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit eingeladen. Christiane Cordt (Cello) gestaltet den Abend musikalisch.

Foto: Stephan Schütze
Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums berichteten bei dem Gedenken über das Schicksal jüdischer Familien aus Dortmund. Foto: Stephan Schütze