Vortrag von Margot Käßmann in St. Reinoldi
DORTMUND – Begeisterter Applaus gab es für Dr. Margot Käßmann. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche von Deutschland (EKD) und jetzige Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 sprach in der Dortmunder Stadtkirche St. Reinoldi über „Zum Potential der Religionen für Frieden und Toleranz“.
Die Veranstaltung Anfang Februar war Auftakt der Reihe „Alle Achtung “ der Evangelischen Kirche von Westfalen, thematisch bereicherte sie das Jahresthema der Vereinigten Kirchenkreise „Gottesfarben – für Toleranz und Vielfalt in Dortmund und Lünen.
„Die Vorfreude ist groß.“ Mit diesen Worten kommentierte Antje Rösener, Theologische Studienleiterin im Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Westfalen-Lippe, bei ihrer Begrüßung den Beifall der 800 Anwesenden für Käßmann, noch bevor diese gesprochen hatte. Für Albert Henz, den Theologischen Vizepräsidenten der Landeskirche, ist es ein „Geschenk für die evangelische Kirche, dass wir eine Botschafterin mit einer solchen Ausstrahlung haben.“
Bei ihrem Vortrag nahm Käßmann die Zuhörerinnen und Zuhörer für mehr als eine Stunde mit auf eine Reise durch die Reformationsgeschichte bis hin zu den aktuellen Fragen nach dem Wie der Konfliktbewältigung, dem Dialog der Religionen und kontroversen Diskussionen, wie die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen sei.
„Reformation und Toleranz“, so fragte Käßmann zu Beginn, „ist das nicht eine ganz unpassende Kombination?“ Reformation und Gegenreformation seien eher ein „Sinnbild der Nicht-Toleranz“. Auch innerhalb des reformatorischen Lagers, denke man an Luther, Zwingli und Müntzer, hätte man Toleranz nicht gekannt. Hinzu sei das intolerante Verhalten gegenüber Juden und Muslimen gekommen.
So kritisch Käßmann dieses historische Erbe der Reformation sieht, so sehr ist sie davon überzeugt, dass „die Geschichte der Reformation eine Lerngeschichte der Toleranz ist, die bis heute anhält.“ Die christliche Lehre trage ein Potential von Friede und Toleranz in sich, das „sich im Laufe der Jahrhunderte positiv entwickelt hat.“
Das Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche gegenüber den Täufern nannte sie als Beispiel, den Dialog mit dem Islam und die evangelische Position, dass derjenige, „der Juden angreift, uns selbst angreift“. Gerade in den letzten Jahrzehnten hätte es einen deutlichen „Fortschrittsschub“ gegeben. „Auch wenn wir in der Ökumene noch nicht so weit sind, dass wir das gemeinsame Abendmahl feiern können.“
Mit Blick auf aktuelle Diskussionen beantwortete sie die selbstgestellt Frage, ob Kriegseinsätze christlich legitimierbar seien, mit dem Hinweis auf die unterschätzten Möglichkeiten ziviler Konfliktlösungen. „Die Auffassung, durch Krieg ließen sich Konflikte lösen, hat sich immer wieder als Irrtum erwiesen“, sagte Käßmann. Dem haben die christlichen Kirchen entgegengesetzt: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“
In diesem Zusammenhang zitierte sie den katholischen Theologen Hans Küng: „Es gibt keinen Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.“ Deutlich sprach sie sich deshalb für den Dialog der Religionen aus. „Wir brauchen eine Weltethik.“ Weder müsse diese eine Einheitsreligion noch zwingend christlich sein. Doch diese Ethik könne der Tatsache Rechnung tragen, dass alle Religionen „einen Kern in sich tragen, der zu Frieden und Toleranz ruft“.
- Jahresthema 2013: Gottesfarben - Toleranz in Dortmund und Lünen