Claudia Luzar und Andrea Röpke referierten
Nicht weniger radikal, nicht weniger fanatisch, weniger antisemitisch, aber rassistischer und fremdenfeindlicher als Männer: So beschrieben Andrea Röpke, Politologin und Journalistin, sowie Claudia Luzar, Rechtsextremismusforscherin und Leiterin der Beratungsstelle Back Up, eine Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in NRW, das Auftreten von Frauen und Mädchen in der Neonazi-Szene.
Im Rahmen des Jahresthemas „Toleranz“ der Evangelischen Kirche hatten die Frauen- und Gleichstellungsbeauftrage der Vereinigten Kirchenkreise, Renate Hubatsch, und Anke Steeger, Evangelische Frauenarbeit Dortmund-Mitte-Nordost, die beiden Referentinnen zu einem Vortrag mit Diskussion ins Reinoldinum eingeladen.
Andrea Röpke, Mitautorin des Buches „Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“ recherchiert seit mehr als zehn Jahren in der rechtsextremen Szene. „Jeder fünfte Neonazi ist weiblich“, stellt sie fest. Frauen seien inzwischen ein fester Bestandteil der Szene und „sie gewinnen an Einfluss“.
Waren sie zunächst damit beschäftigt, ihre Kameraden zu unterstützen und die Organisation im Inneren zu stabilisieren, treten sie heute bei Aufmärschen der Rechtsextremen als Ordnerinnen in Erscheinung. Sie hetzen, feuern an, klatschen Beifall. Wegen Anwendung von körperlicher Gewalt geraten sie eher selten in den Fokus der Öffentlichkeit. „Rechte Gewalt hat ein männliches Gesicht“, ist sich Andrea Röpke sicher.
Ähnlich sieht es auch Claudia Luzar. „Die rechtsextreme Demonstration am 1. Mai in Dortmund war von Männern dominiert.“ In der inzwischen verbotenen Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ seien lediglich 14 Frauen Mitglied gewesen. „Neun davon waren Freundinnen bzw. Ehefrauen der männlichen Mitglieder.“
Entwarnung konnten die beiden Expertinnen dennoch nicht geben. Die Frauenorganisationen des rechtsextremen Spektrums, wie beispielsweise „Ring nationaler Frauen“, propagierten das Frauenbild des 3. Reichs, merkt Andrea Röpke an. Demnach seien sie Schicksalsgefährtinnen des Mannes, Hüterinnen des Heims und für die Erhaltung der deutschen Rasse verantwortlich.
Das hält diese Frauen aber nicht davon ab, sich ehrenamtlich in der Zivilgesellschaft zu engagieren. „Sie treten als Vereinsschwester, in der Elternarbeit von Schule und Kindergarten, volksnahe Kommunalpolitikerin oder als nette Nachbarin in Erscheinung“, macht Andrea Röpke klar. Da für Neonazis die „Erziehung eine nationale Lebensaufgabe“ sei, strebten ihre weiblichen Mitglieder in soziale Berufe.
Warum sich Frauen von der Ideologie der Neonazis angezogen fühlen, erklärt Andrea Röpke so: „Neonazis bieten Erlebniswelten, in die die Frauen unabhängig von den Männern eintauchen können. Frauen mit Kindern bekommen die Anerkennung als deutsche Mutter, die ihnen die kalte Leistungsgesellschaft nicht gibt.“