19.03.2015 // „Zelt der Völker“

Friede, der von unten wächst

Was macht man, wenn das Land, auf dem man wohnt und das man besitzt, bedroht ist? Wenn die Nachbarn es einem wegnehmen wollen.

Palästinensischer Christ berichtet über sein Projekt „Zelt der Völker“

Was macht man, wenn das Land, auf dem man wohnt und das man besitzt, bedroht ist? Wenn die Nachbarn es einem wegnehmen wollen. Mit Zwang und Gewalt, mit Zerstörung  und Einmauerung. Und wenn die Polizei nichts tut und sogar die Nachbarn unterstützt?

Genau das passiert Daoud Nassar seit Jahren. Auf Einladung der Werkstatt Ökumene Eine Welt und des Informationszentrums 3. Welt e.V. berichtete er Mitte März über seine Geschichte. Nassar ist christlicher Palästinenser; er lebt mit seiner Familie auf einem eigenen, 42 Hektar großen Grundstück in der Nähe von Betlehem.

Sein Großvater hatte das Land 1916 gekauft. Nassar hat Besitzurkunden aus osmanischer Zeit, von den Engländern, den Jordaniern und selbst von Israel. Er kann nachweisen, dass er Grundsteuern zahlt. All das interessiert den israelischen Staat nicht.

Das Gebiet, auf dem sein Land liegt, hat Israel zum Staatsgebiet erklärt, israelische Siedler bedrohen ihn mit Maschinengewehren, haben hunderte seiner Olivenbäume ausgerissen und bisher drei Mal versucht, eine Straße durch sein Land zu bauen. Das israelische Militär hat vor einem Jahr Obst- und Olivenbäume kurz vor der Ernte niedergewalzt.

Die Reaktion von Nassar ist weder Gewalt noch Resignation. „Wir weigern uns, Feinde zu sein“, sagt er. Und als Christ fügt er hinzu: „Wir leben unseren Glauben, wir glauben an Gerechtigkeit.“ Er lädt Menschen aus aller Welt, auch aus Israel, ein, zu kommen, zu sehen und weiter zu erzählen. „Zelt der Völker“ nennt er sein Projekt. Und mit ihm hat er Erfolg.

Alleine im letzten Jahr konnte er mehrere tausend Besucherinnen und Besucher begrüßen; Gäste, aber auch Teilnehmer von workcamps. „Für viele Israelis, die zu uns kamen, war das eine Erfahrung, die Augen geöffnet hat.“ Juden aus England und den USA kamen und haben Olivenbäume gepflanzt.

Auch in anderer Hinsicht ist er erfindungsreich: Israel trennt ihn von der Stromversorgung, also hat er Solaranlagen gebaut; der Staat kappt ihm die Wasserleitung, deshalb sammelt er Regenwasser in Zisternen; er bekommt keine Baugenehmigung, deshalb baut er unterirdisch.

Und er hilft mit „Zelt der Völker“ nicht nur sich und seiner Familie, sondern auch anderen. Er lädt traumatisierte palästinensische Kinder aus Flüchtlingslagern zu sich ein, bietet Englisch- und Internetkurse für palästinensische Frauen an.

In diesem Jahr hat er vor, 5.000 Bäume zu pflanzen. „Wenn man einen Baum pflanzt, glaubt man an die Zukunft. Der Friede soll von unten wachsen.“

Foto: Stephan Schütze
Daoud Nassar berichtete über sein Projekt „Zelt der Völker“. Neben ihm Beate Schwedler (Teilnehmerin eines workcamps) und Gerd Plobner (Werkstatt Ökumene Eine Welt).