02.08.2021

„Gott hat uns das Leben geschenkt!“

Dieses Geschenk ist das Kriterium für den Blick auf den „Rucksack des Lebens“

Starkregen vergangene Woche. Nichts gegen die unermesslichen Fluten an anderen Orten. Nur klatschnass geworden bin ich. Trotz guter Regensachen, die ich als Radfahrerin habe und nutze. Auch mein Rucksack war unter dem Regenschutz nass geworden, bis in jede innere Tasche hinein. Also: erst einmal alles auspacken, damit Rucksack und die Gegenstände aus ihm trocknen konnten. Und sichten, was ich mit mir herumgeschleppt habe.

Da begegne ich manchem, wovon ich gar nicht mehr gewusst habe, dass ich es die ganze Zeit im Rucksack habe. Natürlich ist einiges so durchnässt, dass ich es direkt entsorge. Bei allem anderen aber stelle ich nun – einmal ausgepackt – die „Dreifach-Frage“: Was muss bleiben? Was muss weg? Was kann ich noch nicht eindeutig einer der beiden vorgenannten Gruppen zuordnen?

Die Fragen muss ich für jedes einzelne Teil stellen: Was will ich unbedingt drin haben, weil es mir wichtig ist und mich vielleicht an unbeschwerte Momente erinnert? Warum schleppe ich das immer mit mir herum? Oft denke ich: Wer weiß, ob ich das nochmal – irgendwann und für irgendetwas – gebrauchen kann …

Worauf kann ich verzichten? Was macht meinen Rucksack nur unnötig schwer und lässt mich beim Tragen bloß schwitzen?

Auch im übertragenen Sinn sind wir oft genug mit zu schwerem und überflüssigem Gepäck unterwegs. Was brauche ich wirklich in meinem Rucksack, auf dem Weg durch mein Leben? Welche Erfahrungen aus meiner Vergangenheit lasten einfach, hindern mich daran, hoffnungsvolle Schritte in die Zukunft zu gehen? Welche gehören unbedingt in mein Gepäck, weil sie mich an glückliche Zeiten erinnern und daran, woher ich komme, wohin ich unterwegs bin und wo ich zuhause bin?

So nutze ich diesen Sommer, um vor meinem geistigen Auge ein wenig Ordnung in mein Leben zu bringen, wie ich es beim Rucksack getan habe:

Was kann direkt weg?

Womit habe ich mich in der letzten Zeit beschäftigt, obwohl es nicht Not-wendend war? Warum habe ich das getan? Was macht es aus, wenn ich das Thema nicht mehr diskutiere, die Sitzung absage? Oder mit wem sollte ich darüber sprechen, um Klarheit für andere und mich zu erhalten?

Im Leben zeigt sich manches nicht so einfach wie beim Rucksack: Einiges liegt nicht nur an mir oder braucht etwas Zeit, bevor das Projekt abgeschlossen werden kann.

Wenn wir unnötige Gepäckstücke unseres Lebens losgeworden sind, können wir oft befreit aufatmen. Manchmal wissen wir auch: „Gut, dass es vorbei ist. Vielleicht war es eine wichtige Zeit für mich, in der ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt, mit anderen an etwas gearbeitet und es hoffentlich vorangebracht habe. Daraus habe ich gelernt.“

Was will ich in jedem Fall aufheben?

Was ist mir wichtig? Weil ich es tatsächlich benötige, weil es mir geschenkt wurde, mir Halt gibt oder mich schützt – wie ein Regenüberzug?

Wo kann ich mich (noch) nicht entscheiden?

Erst einmal aufheben. Wie oft ist genau diese Überlegung in meinen Gedanken. Häufig entwickelt sich im Laufe der Zeit etwas in unserem Leben, wächst oder ist zuerst als eine von vielen Möglichkeiten vorhanden, und irgendwann wird uns klar: Das ist es. Bei der Berufswahl, auch bei der großen Liebe ist es manchmal so, oder auch nur beim Suchen nach dem Urlaubsziel für das kommende Jahr.

Wichtig ist das Kriterium für Behalten oder Erleichtern oder Verschieben

Vielleicht haben Sie in der restlichen Urlaubs- und Ferienzeit die Gelegenheit, ihren Lebensrucksack einmal auszuleeren und darin aufzuräumen.

Zeit, in sich zu gehen und aus der Distanz das eigene Leben unter die Lupe zu nehmen. Was zieht mich nach vorn? Welche Ziele leiten mich? Wer hilft mir? Was belastet und bedrückt mich? Was kann ich ändern? Wie komme ich mit dem besser zurecht, was ich nicht verändern kann? Wem habe ich schon lange nicht mehr meine Aufmerksamkeit geschenkt?

Gott hat uns unser Leben geschenkt. Das ist das Kriterium! Von Gott geschenktes Leben passt nicht nur in einen Koffer, sondern auch in eine Aktentasche, in jeden Rucksack, in Sporttasche und Einkaufsbeutel und sogar in jede Handtasche. Gottes Geschenk des Lebens für mich braucht nur eine Ritze, findet überall seinen Platz.

Superintendentin Heike Proske

Foto: Stephan Schütze
Bildunterzeile: Superintendentin Heike Proske.
Foto: Stephan Schütze