27.01.2015 // Poetry Slam in St. Reinoldi

Himmel und Hölle

Die Reinoldikirche ist einfach ein ganz besonderer Ort. Das empfanden Poetry Slammer Sebastian23 und mit ihm die sechs angereisten Poeten sowie das Publikum gleichermaßen so.

Die Reinoldikirche ist einfach ein ganz besonderer Ort. Das empfanden Poetry Slammer Sebastian23 und mit ihm die sechs angereisten Poeten sowie das Publikum gleichermaßen so. Nicht nur, „dass der Hall hier zu Hause und die Decke so hoch ist“, wie Moderator Sebastian23 bemerkte, sondern, dass der Gottesdienstraum in seiner Gesamtheit eine ganz besondere Ausstrahlung hat.

Die Reinoldikirche war zum zweiten Mal Austragungsort für einen Poetry-Slam, einem Wettstreit von jungen Dichtern, die um den Applaus des Publikums buhlen: Wer am meisten Lärm erhält, gewinnt. In diesem Jahr war das Sim Panse aus Bremen.

Er überzeugte mit einer bedrückenden Geschichte von einem kleinen Jungen, der sich in die Piratenwelt träumt und doch vom Oktopus Opi Dick immer wieder umarmt und in die Tiefe gezogen wird. Das passiert ihm auch als Räuberhauptmann und als Ritter. Opi Dick gewinnt immer, fasst ihn an und zwingt ihn in die Tiefe. Dann stirbt der Opi Dick und die Mutter sagt, er sei bei Gott im Himmel.

Der Junge fragt: Kann der Opa, der ihn missbraucht und ihm die Hölle bereitet hat, in den Himmel kommen? Und warum stirbt er, ohne dass er dem Jungen die Gelegenheit zur Genugtuung gegeben hat? Auch Sim Panses Anti-Kriegs-Geschichte vom Wanderer, der niemals nach Westen ging, überzeugte die rund 450 Zuhörer.

Das diesjährige Thema des Poetry Slams lautete: „Himmel und Hölle“. Die Texte: mal lustig, mal sehr nachdenklich, mal Prosa und mal gereimt. Von der persönlichen Party-Hölle in Hamburg über die Begegnung mit Petrus im Himmel nach einem Verkehrsunfall bis hin zu einem eindrucksvollen Text über Menschenhandel.

Diesen trug Adina, eine der erfolgreichsten Frauen der deutschsprachigen Slam Szene, vor und fragte in ihrem Text: „Was ist los mit dieser Welt?“. Die junge Frau, die zwischen Wien und Berlin pendelt, wurde Zweite an diesem Abend.

Viele Lacher bekam der Drittplazierte Hinnerk Köhn aus Eckernförde für seine Geschichte über seine Begegnung mit Petrus am Himmelstor. Die Darstellung eines rauchenden, saufenden und kiffenden Petrus, der sich als Sachbearbeiter Nr. 1 gemeinsam mit dem Verstorbenen das Video dessen Lebens anschaut und sich Notizen in seinem Laptop macht, war witzig gemacht, satirisch ohne despektierlich zu sein.

Micha-El Goehre aus  Bielefeld las aus dem Tagebuch eines Metal-Rockers vor. Wolf Hogekamp aus Berlin und Gründer des ersten Poetry Slams in Deutschland, überzeugt mit tiefsinniger Gesellschaftskritik und der aktuelle NRW-Vizemeister in Poetry Slam, Jason Bartsch aus Bochum, spielte mit den Begriffen Himmel und Hölle und Kindheitserinnerungen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es im Rahmen der Reformationsdekade in der Reinoldi einen Slam zum Thema „Kirche und Politik“ gegeben. Mit sehr großem Erfolg. Veranstalter damals wie heute war neben der Stadtkirche St. Reinoldi das Evangelische Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe e.V. (EBW).

Im Oktober wird es noch einen Slam an diesem „besonderen Ort Reinoldikirche“ geben: Dann buhlen Wissenschaftler mit allgemeinverständlichen Fünf-Minuten-Vorträgen um die Gunst und den Applaus des Publikums.

Foto: Stephan Schütze
Die Stadtkirche St. Reinoldi war zum zweiten Mal Austragungsort eines Poetry-Slams.