In dieser Woche, am 25. Januar 2024, wurde die so genannte ForuM-Studie („Forschung zu sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“) veröffentlicht. Diese von der EKD (Evangelische Kirche Deutschland) beauftragte und von den Landeskirchen finanzierte Studie war mit Spannung erwartet worden – und hat ein großes Medienecho ausgelöst. Nun liegt sie vor – und hat viele enttäuscht. Weil die Datenlage nicht so umfassend war wie erwartet. Es gibt viel Kritik – am Aufbau der Studie, an der Weitergabe von Daten. Und von manchen sogar an den föderalen Strukturen der Evangelischen Kirche.
Festzuhalten ist: Die Studie ist ein unabhängiges und breit angelegtes, wissenschaftliches Forschungsprojekt. Nicht nur Zahlen, sondern auch die Perspektiven von betroffenen Personen sind durch Interviews, Umfragen und Fallberichte in die Studie eingegangen, die etwa 3,6 Millionen Euro gekostet hat. Und aus diesem Material lässt sich schon sehr vieles ablesen – weshalb die ForuM-Studie durchaus eine systematische, wissenschaftliche Grundlage zur weiteren Aufarbeitung in der Institution Kirche sein kann.
„Die Spitze der Spitze des Eisbergs“
Kritik wurde vor allem daran laut, dass die Landeskirchen lediglich dokumentierte Fälle in Form von so genannten Disziplinarakten weitergegeben haben – für ganz Westfalen waren das, so die Studie, gerade mal 18. „Die Spitze der Spitze des Eisbergs“, kommentierte einer der Forscher. Für Superintendentin Heike Proske ergibt sich genau daraus jetzt der Auftrag zur weiteren Bearbeitung: „Es war nicht zu erwarten, dass das Werk ‚Dortmunder Daten‘ aufweisen würde.“
Jenseits der wissenschaftlichen Auswertung weiß die oberste Theologin des Kirchenkreises, wie viel Leid hinter jedem Interview, hinter jeder Zahl steckt: „Jeder einzelne Fall, jedes einzelne Schicksal wiegt schwer. Wir bedauern zutiefst, dass Kirche nicht immer ein „sicherer Ort“ war – und wohl auch in Zukunft nicht sein wird. Den Schmerz der Betroffenen können wir nicht lindern, nur anhören. Und ernst nehmen.“
„Betroffene ermutigen, sich auch jetzt noch zu melden“
Die Superintendentin rechnet durchaus damit, dass es im Zusammenhang mit der Studie zu neuen Meldungen kommen wird: „Die Veröffentlichung will Betroffene ermutigen, sich auch jetzt noch zu melden. Denn viele Vorgänge aus der Vergangenheit sind uns als Kirchenkreis nicht bekannt.“ Die Meldepflicht und somit ein halbwegs standardisiertes Verfahren zur Sicherung gibt es in Westfalen erst seit 2020 – entsprechend fehlt es natürlich auch an „gesicherten“ Daten im Kirchenkreis Dortmund. Das habe natürlich auch etwas mit Strukturen zu tun, so Superintendentin Proske. Ob in KiTas, auf Jugendfreizeiten, in Chören oder Gemeindegruppen – es ist überall denkbar, dass es zu Fällen sexualisierter Gewalt kommen konnte. Ob sie bekannt, weitergegeben und dokumentiert wurden, das gelte es nun weiter zu untersuchen.
„Wir müssen mit der Tatsache umgehen, dass es in der Evangelischen Kirche und in der Diakonie sexualisierte Gewalt gab und gibt“, betont Superintendentin Proske. Und daraus folgt nun, alles zu unternehmen, um es potenziellen Tätern schwerer zu machen. „Die Ergebnisse der Studie sollen und können helfen, Strukturen zu erkennen, die Taten begünstigt und ermöglicht haben. Und welche Bedingungen zu Situationen führten, in denen Taten nicht erkannt und gestoppt oder gar vertuscht wurden.“
Präventionsschulungen helfen bei der Sensibilisierung
Ein wichtiger Baustein ist dabei die Präventionsarbeit – und durch sie eine breitere Sensibilisierung für das Thema. „Die Schulungen, die unsere Multiplikatorinnen anbieten, helfen dabei, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Muster zu erkennen. Darum bin ich froh, dass daran schon 850 Personen aus verschiedenen Gruppen in Gemeinden, Einrichtungen und Diensten teilgenommen haben“, so Proske. Und betont noch einmal: „Die Interessen und Bedürfnisse betroffener Personen stehen bei uns im Fokus. Wir hören sie und unterstützen sie individuell. Ihnen gegenüber fühlen wir uns verpflichtet. Die Verantwortung, die daraus erwächst, ist uns bewusst. Wir sind ihr leider bisher nicht immer gerecht geworden.“ Die Begleitung und Unterstützung von Betroffenen solle weiter verbessert werden.
Auf der eigens eingerichteten Homepage www.evangelische-kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de hat der Ev. Kirchenkreis Dortmund Infos, Rufnummern und Kontaktadressen zusammengetragen. Dort gibt es auch Hinweise auf Möglichkeiten, Vorgänge an Stellen außerhalb der Kirche zu melden.