09.11.2022

Hinschauen oder wegschauen bei der Weltmeisterschaft?

Veranstaltung zu Demokratie und Menschenrechten im Gastgeberland Katar

„Wegschauen“ heißt es für Gerd Kolbe und Eugen Eckert bei der Fußballweltmeisterschaft (WM) in Katar. Beide nannten ihre Gründe bei der Veranstaltung „Hinschauen oder Wegschauen? Die Fußballweltmeisterschaft in Katar und die Fragen nach Demokratie und Menschenrechten.“ Die Facharbeitsgruppe „Kirche und Sport“ des Evangelischen Kirchenkreises und der Trägerkreis des Fußballturniers der Religionen hatten dazu eingeladen.

Eugen Eckert, Referent der EKD für Kirche und Sport, und Gerd Kolbe, ehemaliger WM-Organisator der Stadt Dortmund skizzierten die Lage und erläuterten, wie es zu den fragwürdigen Vergaben beim Fußball kommt.

„Die WM ist eine Weltmarke“, berichtete Gerd Kolbe. Die FIFA bekäme mittlerweile 4 Milliarden Euro für das Turnier. Damit liegt die WM vor Olympia. Für die WM 2006 in Deutschland war er Organisator der Stadt Dortmund, danach beratend bei der Vorbereitung anderer Weltmeisterschaften mit dabei. Aus seinen Erfahrungen lieferte er Gründe fürs Wegschauen.

2006 stand unter „Vertragswahnsinn“, so Kolbe. Die Einnahmen der FIFA waren steuerfrei, die Organisation bekam Milliarde geschenkt, erinnerte er. In der Nähe des Dortmunder Stadions sollten das „U“ auf der Westfalenhalle und das „C“ auf dem benachbarten Hotel als „Fremdwerbung“ abgebaut werden. Außerdem verlangte die FIFA eine Absage des von Kolbe geplanten Public-Viewings. Das konnte verhindert werden, da die Beteiligten aus Dortmund mit „einer Stimme“ gegen die FIFA handelten. Es gelang so auch, bei den Fan-Festen örtliche Produkte anzubieten und nicht der Werbepartner der Organisation. Die WM in Katar lehnt Gerd Kolbe „grundsätzlich“ ab. „Die Menschenrechte und Würde werden dort mit Füßen getreten.“ Sie sei komplett unmoralisch. Deshalb erklärte er: „Ich schaue weg“.

Auch für Eugen Eckardt, Referent für Kirche und Sport der EKD, sind Menschenrechte nicht verhandelbar. In seinem Vortrag verwies er auf weitere Gründe, die WM zu ignorieren. Auch für Katar haben die Bewerber Stimmen gekauft, es gab Korruption und das Klima in Katar ist der Grund, die Verschiebung in den Winter. Der Umgang mit den Arbeitern und deren Rechten mache aus dem Turnier „Games of shame“. Und Christen störe bei diesem Turnier auch die Eröffnung zum Ewigkeitssonntag und die Spiele im Advent. „Da haben wir andere Dinge, die uns wichtig sind“.

Dennoch sei manches in der Debatte um die Spiele „Schwarz-weiß-Malerei“. Eckert hält davon nichts. Zum einen gebe es auch in Deutschland Missstände, die nicht angegangen würden. Als Beispiel nannte er den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke oder das noch nicht umgesetzte Tempolimit. Zum anderen haben sich auch Dinge in Katar verbessert. Dennoch werde auch er sich die Spiele nicht anschauen. Und er hofft, dass der Deutsche Fußballbund bei der Europameisterschaft 2024 etwas Positives gegen Katar setzen kann.

Brief an die Gemeinden in der Evangelischen Kirche in Deutschland zur WM in Katar

Von Dr. Thorsten Latzel, Sportbeauftragter der EKD

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,

am Sonntag, 20.11.22, erfolgt in Katar der Anpfiff zur Fußball-WM der Männer. Niemals zuvor hat ein großes Fußballturnier lange vor der Eröffnung für so heftige Debatten gesorgt. In einem offenen Brief an DFB-Präsident Bernd Neuendorf haben die Vorsitzende des Rates der EKD, Annette Kurschus, und ich uns nachdrücklich für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt. Die jüngsten diffamierenden Äußerungen zur Homosexualität von Khalid Salman, Botschafter des Turniers, verstärken die Kritik. Der 20. November begehen wir den Ewigkeitssonntag. Die WM überschattet auch die Adventszeit in unserem Land.

Wir möchten noch einmal auf die Broschüre „Macht hoch die Tür, die Tooor macht weit“ hinweisen, publiziert im Sommer. Sie bietet Anregungen für Gottesdienste und die inhaltliche Auseinandersetzung. Als Kirche sind wir nicht Spielverderberin, sondern setzen wir uns für einen Sport ein, der dem Menschen dient. Die Broschüre und weitere Materialien finden Sie auf der Website der EKD https://www.ekd.de/fussball-wm-2022-74735.htm und unter www.ekhn.de/katar.

Aktuell startet die EKD in diesen Tagen eine Videokampagne. In ihr beziehen Menschen, die in gesellschaftlicher Verantwortung stehen, in kurzen Texten eine Position zur WM in Katar. Am Donnerstag, 17. November, findet um 19 Uhr in der Ev. Akademie Frankfurt eine hybride Veranstaltung statt u. a. mit Martina Knief, Sportreporterin des hr, die aus Katar berichtet: https://www.evangelische-akademie.de/60129

Sport ist ein starkes Stück Leben und eine gute Gabe Gottes. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass dies wieder neu erfahren werden kann. Ihnen einen gesegneten Advent.

Herzlich,
Dr. Thorsten Latzel, Sportbeauftragter der EKD

Foto: Stephan Schütze
Eugen Eckert, Referent der EKD für Kirche und Sport (M.) und Gerd Kolbe, Organisator der Stadt Dortmund für die WM 2006 (2. v. r.) erklärten, warum sie sich die Spiele der WM nicht anschauen. Die Facharbeitsgruppe „Kirche und Sport“ des Evangelischen Kirchenkreises und der Trägerkreis des Fußballturniers der Religionen hatten beide eingeladen.
Foto: Stephan Schütze