20.06.2023

„Hinter jedem Namen steht ein Schicksal, eine Geschichte.“

Jugendliche erinnern an die Menschen, die auf der Flucht ertrunken sind

„Meine Großeltern waren etwa so alt, wie wir jetzt sind, als sie fliehen mussten.“ Bayan ist 14 Jahre alt. 15 waren Oma und Opa, als sie Palästina verlassen mussten, mit unbekanntem Ziel. Auf Umwegen landeten sie in Italien, versuchten dort, sich ein neues Leben aufzubauen. „Diese Erfahrung hat in unserer Familie immer eine Rolle gespielt.“ Gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern nahm die Gymnasiastin am Weltflüchtlingstag (20. Juni) an einer Kranzniederlegung im Dortmunder Hafen zum Gedenken an all jene Menschen teil, die auf der Flucht nach Europa gestorben sind. Am Vormittag schrieben die Achtklässler des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Namen von im Mittelmeer ertrunkenen Menschen auf Stoffbahnen; auf Einladung des Aktionsbündnisses #BeimNamenNennen wurden diese Stoffstreifen am Denkmal vor dem Alten Hafenamt angebracht und die Namen anschließend vorgelesen.

Heike Proske, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, und Bürgermeister Norbert Schilf zeigten sich bewegt vom Engagement der Jugendlichen. „Hinter jedem dieser Namen steht ein Schicksal, eine Geschichte“, betont Pfarrerin Proske, die sich als Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission über viele Jahre für die Würde der Menschen an Bord einsetzte. In ihrer heutigen Funktion macht sie deutlich, dass es eine Selbstverständlichkeit sein müsse, Menschen in Seenot zu helfen. Dass es das nicht ist, zeigen die vielen Tausend ertrunkenen Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten im Mittelmeer ihr Leben gelassen haben. Erst in der vergangenen Woche waren bei einem Schiffsunglück vor der Küste Griechenlands wieder mehr als 500 Menschen ums Leben bekommen. „Für viele ist das nur noch eine Randnotiz“, beobachtet Bürgermeister Norbert Schilf, bleibt aber optimistisch: „Die Hoffnung auf eine bessere Welt dürfen wir niemals aufgeben.“ Dazu gehöre auch, so Heike Proske, jeder Form von Fremdenfeindlichkeit im Alltag eine Abfuhr zu erteilen: „Lasst uns die willkommen heißen, die zu uns kommen. Jeder Mensch hat eine Geschichte. Jeder Mensch hat Würde.“

Foto: Stephan Schütze
Bürgermeister Norbert Schilf und Pfarrerin Heike Proske, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, legen am Denkmal vor dem Alten Hafenamt einen Kranz für die Toten der See nieder. Die Aktion fand im Rahmen der Aktionswoche zum Weltflüchtlingstag und auf Einladung des Aktionsbündnisses #BeimNamenNennen statt.
Foto: Stephan Schütze