14.12.2015 // Salon der Querdenkerinnen

„In der Fremde ankommen“

Vier Referentinnen, vier Professionen, ein Ziel: weiblichen Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Weibliche Flüchtlinge in Fokus des Salons der Querdenkerinnen

Vier Referentinnen, vier Professionen, ein Ziel: weiblichen Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Die Idee zu diesem Salonthema kam uns vor etwa eineinhalb Jahren“, erläuterte Anke Steger, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, bei ihrer Begrüßung der Gäste im Salon der Querdenkerinnen.

Damals sei ihr und ihren „Salon-Vordenkerinnen“ aufgefallen, dass offenbar nur Männer übers Mittelmeer fliehen. Da drängte sich ihnen die Frage auf, wo denn die Frauen seien.

Die Beantwortung dieser Frage stand nun im Mittelpunkt der von Pfarrerin Kerstin Hanke moderierten Veranstaltung im Reinoldinum. Zu Gast waren Smiljana Hesse (Vive Zene e. V.), Andrea Hitzke (Mitternachtsmission), Dr. Wibke Voigt (Psychiaterin mit Arbeitsschwerpunkt Psychotraumatologie) und Birgit Zoerner (Stadt Dortmund).

Seit drei, vier Jahren beobachten sie und ihre Kolleginnen eine Zunahme des Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution, berichtete Andrea Hitzke. Das betreffe vornehmlich Frauen und Mädchen aus afrikanischen Ländern. „Auf der einen Seite sind da Mädchen, die vor einer drohenden Beschneidung fliehen wollen. Oder junge Frauen, die mit älteren Männern zwangsverheiratet werden sollen.“

Sie werden mit falschen Versprechungen ins Ausland, auch nach Deutschland, gelockt. Sie hoffen auf Arbeit oder Heirat, werden stattdessen in die Prostitution gezwungen. Dort, wo die Boote mit Flüchtlingen europäisches Festland erreichen, warteten schon die Zuhälter.

„Frauen und Mädchen, die zur Mitternachtsmission kommen, erhalten zunächst eine Erstversorgung: Kleidung, Nahrung und medizinische Versorgung. Erst dann wird eine Unterkunft vermittelt. Das wird aber immer schwieriger.“

Smiljana Hesse hat Großes vor. Sie will mit einem kleinen Kreis ehrenamtlicher Helfern, weibliche minderjährige Flüchtlinge in ihrem Dortmunder Mädchenhaus „Mäggie“ psychosozial und pädagogisch betreuen. „`Vive´ Zene heißt auf Deutsch `Frauen lebt´“, sagte Hesse, die sich seit vielen Jahren in Tuzla (Bosnien-Herzegowina) auch mit dem Projekt „Snaga Zene“ für die Aufarbeitung sexualisierter Kriegsgewalt gegen Frauen und Mädchen engagiert.

Das Wohnhaus „Mäggie I“ bietet Platz für 15 Mädchen, die auf ihrer Flucht oder in ihren Familien Gewalt erfahren haben. „Im Mädchenhaus werden ihnen Schutz und eine intensive, umfassende psychosoziale Betreuung angeboten“, erklärte Smiljana Hesse.

„Eine geschützte Außenwohngruppe steht für weitere fünf bis sieben Mädchen zur Verfügung. Zielgruppe hier sind Mädchen, deren familiäre Situation problematisch ist oder die Probleme mit der Schule oder dem Jugendamt haben.“ In „Mäggie II“ erfahren sie Begleitung und Unterstützung zur Klärung und sie erhalten psychosoziale Hilfe.

Nach ihrem beruflichen Werdegang befragt, erzählte Dr. Wibke Voigt, dass sie zunächst als Orchestermusikerin gearbeitete hatte und sich erst später entschloss, Medizin zu studieren. Inzwischen ist sie seit 23 Jahren als Psychiaterin tätig. Zu ihr kommen Frauen, die auf ihrer Flucht traumatisiert worden sind.

„Ein Trauma ist nicht das Ereignis selbst, ein Unfall etwa oder eine Vergewaltigung.“ Das seien traumatische Erlebnisse. „Nicht jede Frau, die schlimme Erfahrungen auf der Flucht gemacht hat, ist auch traumatisiert.“

Die Weltgesundheitsorganisation definiere den Begriff Trauma als „ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaßes (kurz oder langhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“.

„Raus aus den Gemeinschaftsunterkünften und hinein in eine eigene Wohnung.“ Dieses Ziel nannte Birgit Zoerner, die als Dezernentin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bei der Stadt Dortmund für die Flüchtlingseinrichtungen in der Stadt verantwortlich ist.

Dass das nicht einfach ist, verdeutlichte sie mit Zahlen: „Im Jahr 2012 wurden Dortmund 333 Flüchtlinge zugewiesen. Bis November 2015 waren es bereits 3265.“ Zurzeit gebe es eine wöchentliche Zuweisung von 412 Flüchtlingen. „Wenn der Zustrom so bleibt“, schränkte Zoerner ein.

Dortmund sei aber „gut aufgestellt“. So würden alleinstehende weibliche Flüchtlinge getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht. „Die Frauen können so beispielsweise des Nachts unbehelligt die Toilette aufsuchen.“

Foto: Ev. Kirchenkreis Dortmund
Frauen auf der Flucht – dieses Thema diskutierten (v.l.) Kerstin Hanke (Moderation), Dr. Wibke Voigt (Psychiaterin), Andrea Hitzke (Mitternachtsmission), Smiljana Hesse (Vive Zene e. V.), Birgit Zoerner (Stadt Dortmund) und Anke Steger (Frauenbeauftragte Ev. Kirchenkreis).