Gottesdienst mit Flüchtlingen in der Kokerei Hansa
Adam und Eva, Kain, Noah und Abraham: „Gleich auf den ersten Seiten der Bibel begegnen wir Menschen, die ihr Zuhause verlassen.“ Die Flüchtlinge aus den Schulkursen des Evangelischen Bildungswerks, die diese Sätze hören, berührt die Predigt von Pfarrer Heiner Montanus vermutlich am meisten. Montanus ist Leiter des Evangelischen Bildungswerks und er hält einen besonderen Gottesdienst, an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich in der Waschkaue der Kokerei Hansa.
Ungewöhnlich ist auch der Titel des Gottesdienstes. Es ist kein biblischer, kein religiöser, sondern dem Märchen der Bremer Stadtmusikanten entlehnt: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“. Und besonders ist der Gottesdienst auch deshalb, weil die Flüchtlinge ihn mitgestalten, zusammen mit Pfarrerin Beate Brauckhoff, Dr. Ruth Boketta und dem Posaunenchor St. Petri/St. Nicolai.
„Etwas Besseres als den Tod …“ So erzählt in dem Gottesdienst einer der Flüchtlinge von der Flucht seiner Familie nach Afghanistan, dem Verlassen dieser nur vorübergehenden Heimat und der Ermordung seiner Eltern. Über Pakistan und Russland findet der dann 16Jährige alleine nach Deutschland.
Bewegend ist auch die Geschichte der jungen Frau, die aus einem zunächst behüteten Leben in Zentralafrika fliehen muss. Ihre Eltern sind politisch engagiert, werden verhaftet und im Gefängnis umgebracht. Sie selbst, damals 15 Jahre alt, muss um ihr Leben fürchten. Mit Hilfe von Freunden und Verwandten gelingt ihr die Flucht.
Die Bibel, sagt Pfarrerin Brauckhoff, ist eine „Sammlung von Flüchtlingsgeschichten“. Überhaupt, so Montanus, würde man in der Bibel viel von denen lesen, deren Leben nicht glatt verläuft. Warum? „Weil die Bibel das Buch der kleinen Leute ist.“ Es sei ein „Trostbuch“, weil es die Geschichten derer weitererzähle, die ansonsten keine Stimme haben.
Brauckhoff erinnerte daran, dass aktuell weltweit rund 45 Millionen Menschen auf der Flucht seien. „Was wir nicht wissen ist, mit welchen Gefühlen und Hoffnungen sie sich auf den Weg machen.“ Etwas davon vermitteln die anwesenden Flüchtlinge. Und alle machen deutlich, wie schwer zumindest anfangs ihr neues Leben hier war. Aber, wie es einer von ihnen formulierte: „Es ist nicht einfach, aber jetzt bin ich hier“.
Der Gottesdienst war Teil der Veranstaltungsreihe im Rahmen der Ausstellung „Lebensqualität im Ruhrgebiet“. Die von den Flüchtlingen vorgetragenen Lebens- und Fluchtgeschichten sind in der Schreibwerkstatt des Evangelischen Bildungswerks unter Leitung von Dr. Boketta entstanden. Sie liegen jetzt gedruckt vor unter dem Titel „Jetzt bin ich hier“ und sind beim Evangelischen Bildungswerk im Reinoldinum, Schwanenwall 34, erhältlich.
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