10.03.2017 // Friedrich Schorlemmer

„Kirche darf nicht anpasserisch sein“

Dr. Friedrich Schorlemmer hielt in St. Reinoldi einen Vortrag zum Thema „Protestantismus - quo vadis?“

Friedrich Schorlemmer in der Stadtkirche St. Reinoldi

Die Konkurrenz trug Schwarz-Gelb an diesem Mittwoch im März und war vor der Tür der Stadtkirche St. Reinoldi weder zu übersehen noch zu überhören. Dennoch bewiesen die zahlreich mit interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern besetzten Kirchenbänke, dass es außer Fußball noch andere Gründe gibt, die Menschen an einem regnerischen Abend dazu bringen, ihre warmen und trockenen Wohnungen und Häuser zu verlassen.

Zum Beispiel Dr. Friedrich Schorlemmer. Er war auf Einladung der Evangelischen Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde in Dortmund zu Gast und hielt in St. Reinoldi einen Vortrag zum Thema „Protestantismus - quo vadis?“

Der 1944 in Wittenberge geborene Theologe sorgte 1983 international für Aufsehen, als mit seiner Beteiligung auf dem Evangelischen Kirchentag in Wittenberg ein Schwert zu einer Pflugschar umgeschmiedet wurde.

Sechs Jahre später trat er als Bürgerrechtler und Mitbegründer der Initiative „Demokratischer Aufbruch“ im August 1989 in Dresden für die breite Öffentlichkeit erneut in Erscheinung. Seitdem engagiert Schorlemmer sich unermüdlich für Verständigung zwischen Katholiken und Protestanten, hält Vorträge und Lesungen, schreibt Bücher.

Superintendent Ulf Schlüter begrüßte den engagierten Theologen, den Altbundespräsident Richard von Weizäcker „Friedenspfarrer nannte, und gab seiner Verwunderung Ausdruck, dass Friedrich Schorlemmer statt „zu Hause zu bleiben“ „unerschrocken“ durch die Republik reise, wo doch „alle Welt in diesem Jahr nach Wittenberg“ kommen wolle. Schlüter bedankte sich auch bei den Organisatoren des Abends, allen voran bei Pfarrer Volker Kuhlemann.

Schorlemmer begann seinen Vortrag mit einem Gedicht von Theodor Fontane: „Tritt ein für deines Herzens Meinung“, fragte dann nach der Berechtigung des Satzes „Alle Soldaten sind Mörder“, schlug den Bogen über die unbedingte Notwendigkeit des Gemeindegesangs und der Kirchenmusik - „Lieber ein Pfarrer weniger in der Gemeinde als keinen Kirchenmusiker.“ - Luthers „entsetzliche Sätze über die Juden“ und seine Auslegung der Zehn Gebote, sein „kräftiges und deftiges Deutsch“ bis hin zu den 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg.

Schorlemmer: „Die Hammerschläge hallten durch ganz Europa.“ Martin Luther habe den Menschen nicht „aufs Maul geschaut, er „hat ihnen aufs Maul gehauen“.

Wie Luther mahnte Schorlemmer zur Bescheidenheit. „Luther wollte nicht auf einen Sockel gestellt werden. Der Begriff lutherisch war ihm unangenehm. Seiner Ansicht nach sollten alle ,Christen‘ genannt werden.“ Schorlemmers Fazit dazu: „Ob lutherisch oder katholisch - vielleicht sollten wir uns alle schlicht Christen nennen.“ Weiter stellte er fest, dass heutzutage „kirchliche Angebote nicht angenommen“ würden. Dennoch dürfe „Kirche nicht anpasserisch sein“. Es gelte, „Traditionen schätzen, bewahren, weitergeben“.

Foto: Stephan Schütze
„Protestantismus - quo vadis?“, fragte Friedrich Schorlemmer (3.v.l.) in der Stadtkirche St. Reinoldi.