06.05.2020

Krankenhaus-Seelsorge in Corona-Zeiten

Mutmachen mit Mundschutz – Planung für den ‚Worst Case‘

Nicht alles hat sich geändert in der Arbeit von Olaf Kaiser. Wie sonst auch ist der Krankenhausseelsorger da, wenn ein Patient oder eine Mitarbeitende des Klinikums das Gespräch sucht. Er ist - mit Abstand - ansprechbar, sei es am Klinikbett, im Schwesternzimmer oder auf dem Krankenhausflur.

Olaf Kaiser hat ein offenes Ohr für Sorgen, Ängste und Nöte, aber auch für Hoffnungen und Freude. Das ist in Corona-Zeiten nicht anders als sonst. Aber der Pfarrer, der im Dortmunder St.-Johannes-Hospital zusammen mit seinem katholischen Kollegen Thomas Müller Seelsorge leistet, ist in den letzten Wochen weit darüber hinaus gefragt.

„Wir wurden von der Geschäftsführung eingebunden, um miteinander hier im Krankenhaus Regeln und Abläufe zu erarbeiten, wie wir mit der außergewöhnlichen Situation verantwortlich umgehen wollen“, berichtet Olaf Kaiser. Dabei wurde überlegt, wie Corona-Erkrankte und andere Patientinnen und Patienten die beste Versorgung und Begleitung bekommen können. Aber auch die Belange der Mitarbeitenden wurden gezielt in den Blick genommen. Wie kann pflegerisches und ärztliches Personal in besonders belastenden Situationen unterstützt werden? Wie können auch Mitarbeitende, die selbst einer Risikogruppe angehören, geschützt bleiben?

Über außergewöhnliche Belastungen des medizinischen und pflegerischen Personals bei der Betreuung von Corona-Patienten berichtet auch Pfarrer Matthias Mißfeldt, Leiter des Fachbereichs Seelsorge im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund und selbst Krankenhausseelsorger. Zu der hohen körperlichen Belastung durch die Arbeit unter Vollschutz, also mit Atemschutzmaske und aufwändiger Schutzkleidung, komme die mentale Stresssituation auf Stationen mit Schwerstkranken und Sterbenden.

Aufgabe der Seelsorge sei es hier, mit für entlastende Einsatzzeiten und auch für psychosoziale Unterstützung zu sorgen. Oft könnten schon Kleinigkeiten im Alltag helfen: Entspannungsübungen „oder einfach mal nach Dienstende reden“, sagt Mißfeldt.

Das bestätigt auch Krankenhauspfarrer Olaf Kaiser. Dass bei all seinen Gesprächen, egal ob zum Trösten oder Mutmachen, seit einigen Wochen das Tragen eines Mundschutzes obligatorisch ist, fällt unter den Mitarbeitenden schon längst nicht mehr auf. „Bei Seelsorgegesprächen mit Patienten spreche ich die Notwendigkeit des Mundschutzes zu Beginn gezielt an“, berichtet der Pfarrer. Doch auch da treffe er schnell auf Verständnis.

Insgesamt gehe man im St.-Johannes-Hospital sehr umsichtig und vorausschauend mit der Corona-Ausnahmesituation um, lobt Olaf Kaiser. In weite Teile der Krisenplanung wurde der Seelsorger seitens der Krankenhausleitung einbezogen. „Ich erlebe diese Zusammenarbeit als sehr hilfreich und wertschätzend“, sagt Kaiser. So könnten die Kompetenzen aller Berufsgruppen in die Planungen einfließen.

Das gilt auch für Überlegungen zu einer künftigen Triage, die eventuell nötig werden könnte. Sollten die Krankenhauskapazitäten irgendwann ausgeschöpft sein, könnte es im schlimmsten Falle unumgänglich werden, Entscheidungen über vor- und nachrangige Behandlungen zu treffen. Auch für solche Situationen, die sich im St. Johannes Hospital niemand wünscht, gilt es Abläufe zu beschreiben und Kriterien zu definieren. Als stellvertretender Vorsitzender des Ethik-Komitees ist Olaf Kaiser auch in diese Problematik involviert. Ihm ist es ein Anliegen, in einem solchen ‚Worst Case‘ theologisch begründet zu handeln.

Wenn der evangelische Pfarrer und sein katholischer Kollege Gottesdienst feiern, dann wird der aus der Krankenhauskapelle live auf die Zimmer übertragen. Wie lange das noch so sein wird, weiß derzeit niemand. „Im Alltag plane ich im Moment nicht über den nächsten Tag hinaus“, sagt Olaf Kaiser. Es sei halt eine außergewöhnliche Zeit. „Das alles ist ungefähr so anstrengend wie im vergangenen Jahr unser großes Engagement auf dem Dortmunder Kirchentag. Dessen fünf Tage waren überschaubar. Wann die Corona-Zeit vorbei ist, weiß niemand.“

Foto: W. Klaas
Olaf Kaiser führt viele Gespräche, oft auch auf dem Krankenhausflur.
Foto: W. Klaas