29.02.2016 // Salon der Querdenkerinnen

Leben ohne Augenlicht

Tasten, hören, schmecken, riechen, sehen können: für die Mehrzahl der Menschen eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für Annemarie Zirwes und Manuela Kürpick. Beide sind blind.

Zwei blinde Frauen im Salon der Querdenkerinnen

Tasten, hören, schmecken, riechen, sehen können: für die Mehrzahl der Menschen eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für Annemarie Zirwes und Manuela Kürpick. Beide sind blind.

Die eine, Annemarie Zirwes, kam blind zur Welt, die andere, Manuela Kürpick, erblindete im Laufe der Jahre, war aber seit ihrer Geburt stark sehbehindert.

Beide Frauen waren Gäste im Salon der Querdenkerinnen, in den die Frauen- und Gleichstellungsarbeit im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund eingeladen hatte. Sie berichteten über ihr Leben ohne Augenlicht.

Zunächst wurden Annemarie Zirwes und Manuela Kürpick in einem von der Salon-Vordenkerin Antje Bechtloff produzierten Film in ihrem häuslichen Umfeld und im öffentlichen Raum porträtiert. Dabei erfuhren die Salongäste, welche Hilfsmittel blinden Menschen das tägliche Leben erleichtern.

So können sie mit Hilfe einer speziellen Tastatur und einem Sprachausgabesystem schriftlich mit anderen Menschen kommunizieren. Ein sprechendes Farbtestgerät erkennt Farben, zum Beispiel von Kleidung und Schuhen. Die Einkäufe aus dem Supermarkt werden speziell markiert.

Annemarie Zirwes, Jahrgang 1939, wurde erst im Alter von neun Jahren eingeschult. Sie kam in ein Blinden-Internat, das „ein Zuhause für Blinde“ war, wie sie im Film erläuterte. „Ich war auch immer sportlich interessiert“, gestand sie im anschließenden Gespräch.“ Mit Begeisterung und einigem Erfolg habe sie Leichtathletik betrieben. So wurde sie Deutsche Meisterin in der Disziplin „Weitsprung aus dem Stand“.

Besonders beeindruckte sie die Salongäste mit der humorvollen, selbstironischen Schilderung ihres Lebens als alleinerziehende Mutter zweier Mädchen. Sie habe sich nach der Scheidung das Sorgerecht für ihre Kinder erstreiten müssen. Die blinde Frau könne sich ja selbst nicht helfen, lautete das Vorurteil seitens der Behörden. Wie soll sie da mit zwei kleinen Kindern zurechtkommen?

Manuela Kürpick war gezwungen sich nach ihrer vollständigen Erblindung mit der Handhabung des Langstock „anzufreunden“. Damit und mit ihrem Blindenführhund „Sokrates“ bewegt sie sich beeindruckend sicher durchs Leben.

Sie sei in Dortmund in die damalige Sonderschule für Sehbehinderte gegangen, erinnerte sie sich. Gewohnt habe sie damals in Menden. Für sie und ihre Mitschüler stand entsprechendes Untermaterial zur Verfügung: Bücher in Großdruck, Hefte mit extradicken Linien.

Auf die Frage, ob sie aus heutiger Sicht eher zur Förderschule oder zu Inklusion raten würde, antwortete sie: „Es kommt aufs Kind an. Für Körperbehinderte ist die Inklusion sicherlich einfacher als für Sehbehinderte.“ Für letztere müsse sichergestellt sein, dass das besondere Unterrichtsmaterial zur Verfügung steht. „Und sie müssen die Blindenschrift erlernen können.“

Gefragt, wie sie sich den Umgang der Sehenden mit blinden Menschen wünscht, sagte sie: „Ich möchte so normal wie möglich behandelt und nicht, nur weil ich blind bin, für blöd gehalten werden.“ Auch wolle sie nicht ungefragt angefasst oder an die Hand genommen werden. „Ich gehe üblicherweise nicht mit Fremden Händchen haltend über die Straße.“

Foto: Stephan Schütze
Beeindruckende Frauen: Annemarie Zirwes (Mitte) und Manuela Kürpick (3.v.r.), beide sind blind, meistern ihr Leben mit Bravour.