11.11.2020

„Licht in Sicht“ – Selber mal St. Martin sein

Kinder aus einer Dortmunder Kita packten Taschen für Wohnungslose

Kekse, Shampoo, Taschentücher – Deospray und warme Strümpfe. Das alles packten die Kinder aus der Dortmunder Kindertagesstätte im Familienzentrum Roland in eine Stofftasche. Die hatten die Kinder zuvor selbst mit Textilfarbe bunt gestaltet. 50 Taschen waren am Ende voll. Als Zugabe erhielt jede von ihnen noch ein selbst gemaltes Bild der Roland-Kinder.

„Das machen wir für arme Leute“, erklärt Jadon. Zusammen mit Emily – sie ist wie Jadon fünf Jahre alt -, ihrer Schwester Marie (4) und Julius (4) bildet er die Kindergarten-Abordnung, die mithilfe ihrer Erzieherinnen Sandra Simic und Katharina Duda die letzten Tüten fertig macht. Einen Tag später werden die Vier sie ein paar Häuser weiterbringen. Im Hof vom Haus der Evangelischen Kirche an der Jägerstraße übergeben sie die 50 Stofftaschen an die Wohnungslosenhilfe der Diakonie.

Eigentlich stand im November, wie jedes Jahr, der Laternenumzug zum Martinstag auf dem Programm. Aber der musste, wie schon so vieles in diesen Monaten, pandemiebedingt ausfallen. Was also tun, fragten sich die Erzieherinnen in der Dortmunder Nordstadt-Kita? Wie all die anderen Feiertage im Jahr, von Ostern über Pfingsten, Erntedank bis Nikolaustag und Weihnachten gehört auch St. Martin zum Repertoire der besonderen Feste, die im Alltagsleben des Kindergartens ihren festen Platz haben.

Und so entstand die Idee, dass die Kinder in diesem Jahr einmal selbst wie St. Martin sein könnten, nicht im Rollenspiel, sondern im Handeln. Der hatte bekanntlich als Soldat mit einem Bettler seinen Mantel geteilt. Später studierte er Theologie und wurde Bischof.

Dass man wie St. Martin etwas mit armen Menschen teilen könnte, dafür konnten sich die Kinder schnell begeistern. Das Geld, das die Kindertagesstätte sonst für Bastelmaterial zum Bau von Laternen vorhält, investierte man jetzt in Dinge des täglichen Gebrauchs. Die Erzieherinnen fragten bei der Diakonie nach, was Menschen ohne Wohnung am dringlichsten benötigen. Dann wurden Strümpfe, Seife und Kekse besorgt.

Die Kinder in der Rolandstraße hatten viel Spaß dabei. Und auch die Erzieherinnen waren schnell Feuer und Flamme für die Aktion. „Für unsere Kinder ist das ein großer Gewinn“, sagt Andrea Schaedel, die Leiterin der Roland-Kita. „Sie können miterleben, wie man sich für die Menschen einsetzt, die in einer Notlage sind. Menschlichkeit, Gemeinsinn, Achtsamkeit, Respekt, Empathie und vieles mehr entwickeln sich durch solch ein gemeinsames Erleben bei unseren Kindern“, freut sich die Pädagogin. Ihre Mädchen und Jungen erführen: „Gutes zu tun, zu Teilen, anderen eine Freude zu bereiten macht zufrieden und spendet Licht – bzw. Hoffnung.“ Darum nannten ihr Team und sie die Aktion „Licht in Sicht“.

Licht spielt üblicherweise auch bei den Martinsumzügen eine Rolle. Mit dem Martinstag ging früher die Zeit der Ernte zu Ende. Man begann mit den Arbeiten in der dunklen Jahreszeit, die das Entzünden von Licht erforderten. ‚Licht in Sicht‘ steht für die Kinder und Erzieherinnen des Roland-Kindergartens aber auch für die Aussicht auf künftige Feste. „Wir sind als Roland-Team inzwischen gute Krisenmanager“, sagt Andrea Schaedel. Im Zuge der Pandemie gingen sie immer wieder flexibel und kreativ mit Schwierigkeiten um. So erhielten alle Familien bis August wöchentliche Newsletter per Mail, mit Bastelanleitungen, Videos und Informationen. Kinder aus der Notbetreuung während des ersten Lockdowns schickten Briefe an einsame Menschen in Altenheimen.

In die Zukunft gehen Andrea Schaedel und ihr Team mit Zuversicht. „Wir glauben ganz fest daran: im Jahr 2021 gehen wir wieder alle singend mit unseren Laternen um den Block. Und wir werden sicherlich auch wieder mit Menschen, die es nicht so gut haben wie wir, teilen.“

Foto: Stephan Schütze
Im Bollerwagen brachten Marie, Julius, Emily und Jadon (v.l.) mit ihren Erzieherinnen Sandra Simic (l.), Jennifer Baus und Katharina Daub (re.) die Taschen zur Wohnungslosenhilfe. Michael Samel (2.v.l.) und die Diakonie-Mitarbeiterinnen Sarah Hestermann und Inge Gubernator (re. daneben) freuten sich darüber.
Foto: Stephan Schütze