28.06.2017 // Gnadenlehre oder Gesellschaftstheorie?

Luthers Mündigkeit und Gottes Güter

Haben Gemeingüter irgendetwas mit der Reformation oder mit Luther zu tun?

Gnadenlehre oder Gesellschaftstheorie?

Gemeingüter, früher als „Allmende“ bezeichnet, aktuell als „Commons“ in der Diskussion – haben sie irgendetwas mit der Reformation oder mit Luther zu tun? Ja, meinen der Theologe und Journalist Christoph Fleischmann sowie Pfarrer Friedrich Laker von der Lydia-Kirchengemeinde.

Unter dem programmatischen Titel „Luthers Mündigkeit heute, Gottes Güter für alle“ hatten sie zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung eingeladen. Organisiert wurde sie von Christian Nähle.

„Gottes Gnade ist umsonst, das ist die Lehre, auf die der Protestantismus bis heute stolz ist“, so Fleischmann. Wenn Gnade und Vergebung nicht käuflich sind, lautet die Argumentation, warum sollen dann die von Gott gegebenen Ressourcen wie Land und Wald, Wasser und Rohstoffe käuflich und in privater Verfügungsgewalt sein?

Luther wollte, das machte Fleischmann auch klar, diesen Schritt von der Überführung seiner Gnadenlehre in eine Gesellschaftstheorie nicht gehen. Doch ein Teil der Reformation zog diese Konsequenz. Die revoltierenden Bauern und die mit ihnen sympathisierenden Theologen wollten einen freien Zugang zu den Gütern haben, die Gott allen Menschen gegeben hat. Die Bauern wurden geschlagen. „Luther ließ ihre Argumente nicht gelten. Deshalb gedenkt man ihnen jetzt, 500 Jahre danach, nicht.“

Luther habe, so ergänzt Pfarrer Laker, mit dem Menschen- und auch Gottesbild seiner Zeit im Wesentlichen nicht gebrochen. „Deshalb hält er seine große Erkenntnis der Befreiung nicht durch.“ Reformation heute hieße, Schritte über Luther hinaus zu gehen. „Ich orientiere mich nicht mehr an der Frage, was dem Heil des Menschen dient, sonder was dem Leben in seiner Gesamtheit dient.“

Und alles, was zum Leben notwendig ist – Licht, Luft, Wasser, Land -, sei ein Geschenk. „Wenn wir die Bedrohung der Vielfalt des Lebens und des Menschen selbst sehen, müssen wir diesen Paradigmenwechsel vollziehen.“ Und das habe auch Konsequenzen für eine andere Ökonomie, die nicht mehr auf der Macht von einzelnen beruht.

Seine Kritik an den Reformationsfeierlichkeiten ist, dass sie hauptsächlich benutzt würden, um das Image der evangelischen Kirche „aufzupolieren“. „Wichtige Anstöße, wie wir das Leben verändern müssen, die fehlen mir.“

Foto: Stephan Schütze
Christian Nähle, der Theologe Christoph Fleischmann und Pfarrer Friedrich Laker (v.l.).