03.02.2023

Neue Wege in der Wohnungslosenhilfe

Eröffnung: Das Wichern-Wohnungslosenzentrum der Diakonie in Dortmund vereint Hilfsangebote mit einem einzigartigen Raumkonzept

Im neuen Wichern-Wohnungslosenzentrum bündelt die Diakonie bereits seit Anfang des Jahres ihre Arbeit für Menschen, die in Dortmund wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Neben einem Waschcafé für Nutzer*innen und ihre Kleidung, einem Ruheraum, der Wichern-Suppenküche, medizinischen Untersuchungsräumen, einem einzigartigen Aufenthaltskonzept mit Wohnküche und Bibliothek sowie einem umfassenden Beratungs- und Hilfsangebot, bietet die neue Einrichtung in Dortmund vor allem echte Perspektiven für Wege aus der Wohnungslosigkeit. Am Freitag, 3. Februar 2023, stellte die Diakonie das neue Wichern-Wohnungslosenzentrum der Öffentlichkeit vor.

Gemeinsam mit Sozialdezernentin Birgit Zoerner und Pfarrerin Heike Proske, Superintendentin im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, engagierten Menschen der trägerübergreifenden Wohnungslosenhilfe und zahlreichen Unterstützer*innen gaben die Fachkräfte in der Stolllenstraße 36 einen Einblick in die neuen Räumlichkeiten sowie die Arbeit, die hier an sieben Tagen in der Woche geleistet wird. „Der niedrigschwellige Zugang und die Willkommenskultur dieses Ortes werden der Schlüssel sein, um Menschen, die hier künftig Zeit verbringen, zielführender zu helfen und so ihre Lebenssituation schneller zu verbessern“, sagte Diakonie-Geschäftsführer Pfarrer Niels Back bei der offiziellen Eröffnung des Hauses.

Nach rund neun Monaten Bauzeit bietet das ehemalige Gemeindehaus auf zwei Etagen moderne Beratungsbüros und großzügige Wasch- und Untersuchungsräume, sanitäre Einrichtungen und das komplette Angebot der Zentralen Beratungsstelle für wohnungslose Menschen (ZBS), die mittlerweile ebenfalls komplett aus der Rolandstraße 10 in die Stollenstraße 36 gezogen ist. Im Gepäck der 20 Fachkräfte: Über 700 Erreichbarkeitsadressen, die die Diakonie für Menschen ohne eigenen Wohnsitz verwaltet und so mögliche Transferleistungen und Krankenversicherungen (wieder)sicherstellt, häufig der erste Schritt aus der Wohnungslosigkeit.

Herzstück der neuen Einrichtung ist das direkt neben den Beratungsbüros gelegene „Wohnzimmer“, an dessen Ausstattung sich in den vergangenen Monaten engagierte Bürger*innen, darunter auch wohnungslose Menschen und Unternehmen beteiligt haben: Im Veranstaltungssaal des ehemaligen Kultur- und Tagungszentrums der Diakonie wurde auf 200 Quadratmetern ein Raum geschaffen, der Gemütlichkeit, Würde, Komfort und Sicherheit vereinen soll. Ausgestattet mit komfortablen Sesseln, Leseecken, Computerplätzen, wohnlichem Licht und offener Küche. Nutzer*innen, die sich hier aufhalten, sind nicht zu Besuch, sondern Teil und Mitgestaltende der Gemeinschaft dieses Hauses – so die Philosophie.

„Ein würdiger Tagesaufenthalt ist uns wichtig, denn Orte, an denen wir uns aufhalten, wirken sich darauf aus, wer wir sind und wer wir werden können. Nur wenn ich mich angenommen fühle und Teilhabe gegeben ist, können weitere Schritte gegangen werden. Dafür steht der Tagesaufenthalt in seiner durchdachten Gestaltung“, sagte Diakonie-Geschäftsführerin Uta Schütte-Haermeyer bei der Eröffnung. Es gibt keine Bedienungstresen, keine Barrieren, stattdessen setzen die Mitarbeitenden auf Selbstbedienung, -nutzung und -bestimmung. An der Stirnwand, früher der Standort der Bühne des Veranstaltungsaals, ist durch Beteiligung von Dortmunder Buchhandlungen und deren Kundschaft eine große Bibliothek entstanden, rund um einen historischen Holzkamin und einen großen Fernseher, der neben aktuellem Programm auch Kunstwerke zeigt. Ehrenamtlich unterstützt wurde das Wohnzimmer durch den Dortmunder Architekten und Innenraum-Designer Andreas Georg Hanke sowie Christiane Schaefer-Winkelmann und Adolf Winkelmann.

Das Dortmunder Wichernhaus

Bereits zum Ausbruch der Coronapandemie wurde das ehemalige Kultur- und Tagungszentrum der Diakonie in der Stollenstraße 36 zu einem Tagesaufenthalt für Wohnungslose inklusive Essensausgabe umfunktioniert. Das Wichernhaus war über Monate die einzige dauerhaft geöffnete Einrichtung für wohnungslose Menschen in Dortmund. Durch den Umbau unterstreicht die Diakonie den Nutzungszweck des ehemaligen Gemeinde-hauses, dass 1928 in Anwesenheit eines Enkels des Namensgebers Johann Hinrich Wichern (1808-1881) eröffnet wurde. Der Hamburger Theologe und Sozialreformer gilt als Begründer der Sozialen Arbeit und der Inneren Mission, die in der Diakonie in ihrer heutigen Form aufging. Vor genau 175 Jahren legte Wichern mit einer Rede auf dem Kirchentag den Grundstein für diakonische Arbeit.

Wohnungslosigkeit in Dortmund: Die GISS-Studie

Eine in 2022 veröffentlichte Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung (GISS) im Auftrag des Landes NRW zeigt, dass weit mehr Menschen in Dortmund von Obdachlosigkeit betroffen sind, als es bisher bekannt war und gibt einen vertieften Einblick in die Lebenslagen der Betroffenen – von den Gründen des Wohnungsverlusts bis hin zur gesundheitlichen Situation der Betroffenen. Die Ergebnisse nutzt die Diakonie zur konzeptionellen Weiterentwicklung: Deutlich wird bereits jetzt, dass die stadtweite Wohnungslosenhilfe verstärkte Anstrengungen unternehmen muss, um Obdach- und Wohnungslose zu erreichen, die bisher noch nicht ins Hilfesystem integriert sind. Das neue Wichern-Wohnungslosenzentrum soll zusätzlich zu aufsuchenden Hilfsangeboten mit der Verbindung von Aufenthalt und Beratung ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Foto: Stephan Schütze
Das neue Wichern-Wohnungslosenzentrum der Diakonie in der Stollenstraße.
Foto: Stephan Schütze