11.11.2019

Nicht sprachlos bleiben

Ökumenisches Gedenken an die Pogromnacht 1938

324 Namen, notiert auf weißen Zetteln, liegen mitten in der Stadtkirche St. Petri. Es sind die Namen derjenigen Dortmunderinnen und Dortmunder, die im Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. „Es sind Namen, die wir nie vergessen wollen“, so Pfarrerin Christel Schürmann in ihrer Begrüßung zur Gedenkstunde an die Progromnacht im November 1938.

Eingeladen dazu hatten die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) und die Stadtkirche St. Petri. Sowohl während des Pogroms 1938 als auch später bei der Deportation 1942 wurden die Verbrechen an den jüdischen Frauen, Männern und Kindern nicht heimlich begangen. „Das war für alle sichtbar“, so Schürmann.

Exemplarisch für alle Verhafteten, Deportierten und Ermordeten erinnerten Schülerinnen und Schüler des Phoenix-Gymnasiums an die jüdische Familie Isaak Stern und an Paula Winkler. Der Viehhändler Isaak Stern, aktiv in der jüdischen Gemeinde, wurde unmittelbar nach dem Pogrom in der Steinwache inhaftiert und für zwei Wochen ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Im Alter von 72 Jahren deportierten ihn die Nazis 1942 nach Theresienstadt. Hier konnte er noch knappe zwei Monate überleben, bevor er ins Vernichtungslager Treblinka geschickt wurde. Auch für Paula Winkler war Theresienstadt, wie für insgesamt 80.000 Menschen, nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ihrer Ermordung. 1944 kam sie von hier in das Vernichtungslager Auschwitz.

Das „Schweigen und Mittun“ der christlichen Kirchen beklagte Superintendent Burkhard Kurz (Selbständige Evangelisch-Lutherischen Kirche) von der ACK. „Als Christin“, so Pfarrerin Schürmann, „bin ich mir meinen jüdischen Wurzeln bewusst.“ Der Jude Jesus habe es Nichtjuden ermöglicht, Gottes Nähe zu erfahren. Ob Deportation und Pogrom nur Geschichte seien, fragte sie. Als Antwort zitierte Schürmann ein Mitglied der jüdischen Gemeinde. Das hatte darauf hingewiesen, dass der Hass auf Juden in Deutschland niemals Vergangenheit war. Die Tabus, errichtet durch die Niederlage 1945, würden jetzt wegbrechen. Doch die Angst jüdischer Menschen von heute dürfe uns, so lehre das Gedenken, nicht sprachlos machen.
Musikalisch begleitete Annette Drengk die Veranstaltung an der Orgel.

Foto: Stephan Schütze
Das ökumenische Gedenken an die Pogrome vom 9. November 1938 gestalteten die Stadtkirche St. Petri, die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund e.V. und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) gemeinsam mit Schülerinnen und Schüler des 9. Schuljahres am Phoenix-Gymnasium.
Foto: Stephan Schütze