Autoscooter und Raupe sind trockene Plätze im Dortmunder Kirmespark. Bei strömendem Regen drehen dort Kinder ihre Runden. Auch die Betreiber sehen das Wetter gelassen, denn von Überschwemmungen wie andernorts sind sie zum Glück verschont geblieben. „Schlechtes Wetter gehört zu den ganz normalen Problemen, die man als Schausteller hat“, sagt Patrick Arens, der zu einer alteingesessenen Dortmunder Schaustellerfamilie gehört. Die Corona-Pandemie und die monatelange Unsicherheit während des Lockdowns haben ihn und seine Branche stärker getroffen, aber auch für manch kreative Idee gesorgt.
Riesenräder wurden zu Aussichtpunkten an touristisch interessanten Orten, einzelne Kirmesbuden bereicherten die Innenstädte und gebrannte Mandeln gab es zu Weihnachten als Lieferservice. Bei ihrem zweiten Sommergespräch informierte sich Präses Annette Kurschus am Donnerstagnachmittag (14. Juli) im Dortmunder Kirmespark „FreDolino 2021“ über die aktuelle Situation und knüpfte damit an ihr Lockdown-Gespräch mit Schaustellern und Zirkusleuten vom Winter an. „Ohne Kirmes und Zirkus wäre unser Alltag ärmer“, sagt die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). „Wir leben nicht allein von dem, was unmittelbar sinnvoll und nützlich ist. Das Leben braucht auch Glanz und Freude. Das haben wir während der vergangenen Monate deutlicher denn je gespürt.“
Allein in Dortmund gibt es 70 Schaustellerbetriebe, berichtet Arens, Vorsitzender des örtlichen Schaustellervereins Rote Erde und Vizepräsident des Bundesverbands für Schausteller und Marktkaufleute (BSM). Er hat den Lockdown genutzt, um mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf die besondere Situation einer Branche aufmerksam zu machen, die oft zuerst von Absagen und Schließungen betroffen ist. Sie haben Gespräche mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart geführt, aber in der Krise auch an andere gedacht: Mit den Dortmunder Kollegen hat Arens einen Fahrdienst für die Tafel organisiert und mit Kirmesorgeln vor Altenheimen gespielt. „Wir wollten die Menschlichkeit in den Vordergrund stellen“, berichtet er.
„Bestehende Ungleichheiten sind in der Pandemie noch viel deutlicher hervorgetreten, manche haben sich erheblich verstärkt. Das beschäftigt mich sehr“, sagte die Präses beim Gespräch mit den Schaustellern, an dem auch die Dortmunder Superintendentin Heike Proske und Pfarrer Ralf Radix teilnahmen, der als Referent im Fachbereich Seelsorge der EKvW unter anderem für die Schaustellerseelsorge zuständig ist.
Die Dortmunder Schausteller wissen es zu schätzen, dass die meisten von ihnen - anders als kleine Zirkusbetriebe - ein festes Winterquartier haben, in dem sie den Lockdown verbringen und ihre Fahrgeschäfte und Buden auf Vordermann bringen konnten. „Es ist viel wert, wenn man weiß, wo man hin kann“, sagt Schausteller Rudi Isken.
Der Kirmespark „FreDOlino“ ist ein Schritt zurück in die Normalität: Vier Wochen lang stehen die Betreiber wieder auf ihrem angestammten Platz im Dortmunder Norden, mit einem Hygienekonzept für das umzäunte Gelände, viel Abstand und klaren Regeln für die Kirmesgäste. Patrick Arens hat viel Erfahrungen mit der Organisation von Veranstaltungen aller Art. „Das Organisationskomitee des Dortmunder Kirchentags ist zuerst zu mir gekommen“, erzählt er im Gespräch mit der Präses. Für den Kirchentag selbst hatte er sich vier Tage frei genommen: „So ein Spirit wie 2019 in unserer Stadt ist faszinierend.“
Seelsorger als Bindeglied zum normalen Leben
Im Alltag brauchen die Kirmesleute eine Pfarrerin oder einen Pfarrer, der ihnen hinterher reist. „Sie finden hier ein dankbares Publikum. Die Meisten sind sehr gläubig in unseren Kreisen“, berichtet Arens. Auch nach einer langen Kirmesnacht sei der Zeltgottesdienst stets gut besucht. „Die Seelsorger sind für viele von uns ein Bindeglied zum normalen Leben“, so der 54-jährige Dortmunder. „Es ist für uns ein ganz tolles Zeichen, dass die Präses heute hier ist.“
Kirche und Kirmes gehören traditionell zusammen: Viele Termine von Jahrmärkten und Volksfesten orientieren sich am Kirchenjahr oder gehen auf die Kirchweihe zurück. Oster- und Pfingstkirmes muss in diesem Jahr an vielen Orten schon zum zweiten Mal ausfallen. „Den Weihnachtsmarkt planen wir ganz normal“, berichtet Patrick Arens. Schausteller seien immer optimistisch, bestätigt sein Kollege Rudi Isken.
Sommergespräche
Mit den Sommergesprächen knüpft Präses Annette Kurschus an ihre Lockdown-Gespräche aus dem vergangenen Winter an. Sie hatte sich bei sechs digitalen Terminen mit Betroffenen aus verschiedenen Berufsgruppen und gesellschaftlichen Bereichen über die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen ausgetauscht. Lockerungen und niedrige Inzidenzwerte ermöglichen jetzt Besuche und Gespräche vor Ort: zuerst in einem Konfi-Camp, bei Schaustellern und in einem Pflegeheim.