21.09.2017

Pfarrerin und Pfarrer im Jahr 2030

„Wer braucht uns?“ Mit „uns“ waren Pfarrerinnen und Pfarrer gemeint und diejenige, die die Frage gestellt hatte, war Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Konvent zum Pfarrbild der Zukunft

Eingeladen hatte sie zum Pfarrkonvent des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund in das Kulturzentrum „Alte Schmiede“ in Huckarde.

Der Konvent war eine von elf großen Veranstaltungen in der westfälischen Landeskirche, in der es um die Rolle und das Bild von Pfarrerinnen und Pfarrern jetzt und in der Zukunft ging. Seit vier Jahren denkt die Landeskirche über den Pfarrdienst nach. „Pfarrer spielen eine Schlüsselrolle in unserer Kirche“, so Superintendent Ulf Schlüter in seiner Begrüßung. Deswegen würde die Stärkung und Klärung des Pfarramtes auch eine Stärkung der anderen Berufsfelder in der Kirche bringen. Heute gehe es darum, „gemeinsam einen Blick in die Zukunft zu wagen.“ Auch deshalb habe man in die „Alte Schmiede“ nach Huckarde eingeladen, in einen anderen und ungewohnten Ort, „um den Wandel, der sich vollzieht, vor Augen zu haben.“

„Wer braucht uns?“ Es hätte Zeiten gegeben, so Kurschus, in denen sich diese Frage den Pfarrerinnen und Pfarrern nicht gestellt hätte. „Da gab es klare Rollenkonzepte.“ Darüber (wieder) nachzudenken scheint ob des Wandels in Kirche und Gesellschaft notwendig. Der Pfarrberuf, so die Präses, sei „ein schöner, aber auch schwerer Beruf“. Und für die Zukunft sei zu klären, „wer wir, die Pfarrer und Pfarrerinnen sind, was Gemeinde ist und wozu Kirche da ist.“

In Interviews und Impulsreferaten, im „Speeddating“ und in Arbeitsgruppen des „World Cafes“ sind die anwesenden Theologinnen und Theologen, aber auch Nichttheologen dieser Frage nachgegangen. „Was können wir tun, damit wir und die nach uns diesen wunderschönen Beruf gerne und mit Leidenschaft ausüben?“ So Hanna Jacobs, Vikarin und Kolumnistin bei „Christ und Welt“.  Und mit einer nächsten Frage versuchte sie eine Antwort: Warum sind Ärzte oder Anwälte auf bestimmte Fachgebiete spezialisiert, Pfarrer jedoch Universalisten? Gut vorstellen kann sich Jacobs, dass in der Zukunft, im Jahr 2030 beispielsweise, auch der Pfarrberuf Spezialisierung hervorgebracht hat. Dann könnte es, so ihre Vision, Beerdigungspfarrer geben, die sich um Trauergruppen und Beerdigungen kümmern, Konfirmandenpfarrer mit einer Zusatzausbildung zum Erlebnispädagogen, Gottesdienstpfarrer und Seniorenpfarrer oder auch – beispielsweise für die Dortmunder Nordstadt – Straßenpfarrer. Sich selbst, so die junge Vikarin, würde sie gerne als Seniorenpfarrerin sehen. Eine weitere Idee, die sie im Gespräch mit Bernd Becker, dem Direktor des Evangelischen Presseverbandes Westfalen-Lippe entwickelte, war die der „Internetgemeinde“. So futuristisch wie das scheint, ist diese Vorstellung nicht, denn Anfänge dazu, beispielsweise in Form von twitter-Gottesdiensten, gebe es schon, so Jacobs. „Ich kenne viele Leute, die dort eine Heimat gefunden haben. Da formiert sich bereits online eine christliche Gemeinschaft.“

Die Idee des „Spezialpfarrers“ stieß in den anschließenden Arbeitsgruppen nicht überall auf Zustimmung, wurde aber aufgegriffen. Man wolle zwar „Generalist“ bleiben, doch je nach Interesse auch die Möglichkeit der Spezialisierung haben. Seelsorger sein, also zuhören, trösten und Zeit haben – das sei eine wichtige Eigenschaft des Pfarrberufs für jetzt und für die Zukunft. Dazu brauche es Zeit und Flexibilität, theologische Kompetenz und religiöses Orientierungswissen. Änderungen sah man im Charakter der Gemeinden. Denn, so die Prognose, die Bedeutung von Personalgemeinden würde  größer werden, die der klassischen Parochialgemeinden hingegen abnehmen. Nicht nur eine stärkere ökumenische Zusammenarbeit sei notwendig, sondern darüber hinaus auch eine interreligiöse. Annika Christenson, Vikarin in der Kirchengemeinde Lünen, mahnte an, mit den Veränderungen auch tatsächlich zu beginnen. „Die Kirche stellt sich recht spät darauf ein.“ Dass wir jetzt in der Situation sind, „in der sich einiges ändern muss“, fasste Präses Kurschus in der Ergebnisrunde zusammen. Sie zeigte sich nach den elf Veranstaltungen in den Gestaltungsräumen der Landeskirche zuversichtlich. „Ich spüre sehr viel Potential bei Ihnen. Unsere Kirche braucht Sie und unsere Gesellschaft braucht Sie.“