21.05.2021

Pfingsten - Feiern ohne Menschen

Gedanken zu einem besonderen Fest, auch in außergewöhnlichen Zeiten

Oh, wie schön, dass ihr da seid. Da vorne steht der Sekt. Komm mal her, ich lache und umarme und gucke in die Gesichter, die mir die Welt bedeuten. Und ich bin ganz ich selbst – hier, inmitten der Menschen, die mich ausmachen. Meine Familie, meine Freunde. Musik ist da, Essen ist da, eine Hand, die meine greift. Wunderbar.

Ich kann mich erinnern. An das Gefühl von Geburtstagsfeiern. Alle da, alle zusammen, für mich. Wie ein Schaumbad in Liebe. Einmal untertauchen und glücklich sein. Das stärkt doch für so vieles. Und dann mache ich ein Foto und 364 Tage gucke ich es mir immer wieder an. Weißt Du noch? Ja!

Heute sitze ich alleine da mit meinem Kuchen, leere Bänke, keine Musik, kein Gesang – na ja, im Fernsehen oder im Internet oder wo auch immer, aber was ist das schon? Hier sollen sie sein und hier sollen sie feiern, mit mir.

Hier ist das Zentrum und hier spielt die Musik. Hier wehen die Fahnen und Menschen füllen die Straßen. Pfingstfest - erzählt die Bibel. Das Judentum feiert den Bund mit Gott, der auf zehn Regeln ruht wie auf fest gemauerten Säulen. Und alle kommen, aus allen Himmelsrichtungen, aus vielen Ländern. Alle, die Gott glauben, mitten in der Welt am Werk. Die Fahnen wehen.

Nur in dem einen Haus nicht. Hier ist auch Pfingsten, aber ohne Freude. Die muss draußen bleiben, denn hier wohnt die Trauer. Die Jünger sind alle da, aber verloren. Ohne den einen, der ihr Leben zum Lieben und auch zum Leuchten brachte. Der in ihre Seelen sah und sie heile machte, von all dem, was sich in den Jahren der Hoffnungslosigkeit so angesammelt hatte.

Er machte aus einfachen Menschen - einfach Menschen, Gotteskinder. Gesehen, gewollt, geschaffen nicht um zu sterben, sondern um jede Sekunde zu leben. Ohne Angst vor dem Tod.

Und dann war er gegangen. Nach dem ganzen Drama. Nach Tod und Auferstehung. Nach unträumbarer Wiedersehensfreude. Einigen war bei seiner Ankündigung der Himmelfahrt der Gedanke gekommen: Das ist jetzt nicht sein Ernst!

War es aber. Weitere Worte konnten nicht helfen: Geht nach Jerusalem, dort gibt es eine Überraschung für euch.

Von Überraschungen hatten einige der Jünger genug. Und ich kann es ihnen nicht übelnehmen. So eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Sterben, Auferstehen, Weggehen. Öffnen, nicht öffnen. Was ist richtig, was ist falsch? Ich kann das verstehen. Die Jünger wollten nach Hause, zurück in ihr altes Leben. Wieder ganz einfache Menschen werden, die nichts hoffen, sich freuen, wenn genug Fische im Netz sind, abends am Feuer sitzen. Glauben ist was für andere.

Und dann sind sie doch nach Jerusalem gegangen - zusammen. Vielleicht haben sie gedacht: Wer weiß? Und jetzt sitzen sie in diesem Haus und ihnen ist nicht nach feiern zu Mute. Die Fahnen wehen, die Menschen sind alle da, nur der eine fehlt.

Und dann: Geht die Tür auf, wie von Geisterhand. Alle halten den Atem an: Nur ein Wind. Aber was für einer. Die Bibel erzählt von Flammen, die die Gesichter erleuchten. Furchtbar schön. Gott hat offenbar mehr auf Lager. Gott begabt und schenkt. In diesem Moment den Jüngern ein Schaumbad in Liebe, die stärker ist als die Trauer. Er schenkt neuen Grund zu Glauben. Innen drin. Geistreich. Und er schenkt den Jüngern die richtigen Worte. Sie gehen raus und alle verstehen. Ihre Begeisterung, ihre Erlösung, ihre Freude. Die ist auch ansteckend.

Etwas Großes passiert durch einen Hauch und Gott hat seine Finger im Spiel. Das begreifen die Menschen, Pfingsten in Jerusalem und alle haben Geburtstag. Die Fahnen wehen Glauben durch die Welt.

Ich sitze hier, alleine mit meinem Kuchen, leere Bänke. Die Kerze flackert. Nur ein Wind? Und ich pfeife leise Happy Birthday und traue ihm. Meine Überraschung wartet.

Leonie Grüning, Stellvertretende Superintendentin

Foto: privat
Leonie Grüning ist Ständig Stellvertretende Superintendentin im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund
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