23.09.2020

Politik, Poesie und Tee

Autorin Christina Brudereck war zu Gast in der Stadtkirche St. Petri

Yashi hört gerne Musik. Darum gibt es in der Autorinnenlesung, in der sie als Romanfigur im Mittelpunkt steht, auch musikalische Pausen zur Auflockerung. Yashi Bhandari ist die Hauptfigur im Roman ‚Die Teetrinkerin‘, aus dem Autorin Christina Brudereck auf Einladung der Stadtkirche und des Frauenreferats der Evangelischen Kirche von Westfalen in der Dortmunder St. Petri-Kirche las.

„Endlich wieder Publikum – endlich wieder eine Veranstaltung vor Ort.“ Sowohl die lesende Autorin als auch die Gastgeberinnen, Stadtkirchenpfarrerin Christel Schürmann und Frauenreferatsleiterin Nicole Richter, genossen es sichtlich, das Publikum nach Monaten pandemiebedingter Zurückhaltung zu einer analogen Veranstaltung in der Kirche begrüßen zu können.

Und auch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher schienen sich wohlzufühlen. Trotz des Abstands zwischen den Stühlen bot die Stadtkirche St. Petri mit wohldosierter Beleuchtung und dem ‚Goldenen Wunder‘, dem Antwerpener Altar als Hintergrund eine stilvolle Atmosphäre für den Leseabend.

Christina Brudereck brachte ihren Zuhörerinnen und Zuhörern ihre Romanheldin, die Inderin Yashi Bhandari nahe. Aufgewachsen in einer großen Familie im südindischen Nilgiris wird sie, die Teetrinkerin, Anwältin in einer Großstadt. Sie vertritt pro bono ‚kleine Leute‘ aus der indischen Gesellschaft, Opfer der mächtigen Textilindustrie. Und sie erfährt dabei, wie skrupellos diese mit ihren Arbeiterinnen und Arbeitern umgeht.

Eines Tages lernt sie junge Leute eines Startups aus New York kennen, die für die Idee eines fair gehandelten Modelabels brennen. Sie geht selbst für eine Weile dorthin und lässt sich auf das Leben in der amerikanischen Metropole ein. Sie bekommt einen Blick für die kulturellen Unterschiede und lernt das Leben in den unterschiedlichen Kulturen zu schätzen.

Als sie die Möglichkeit erhält, ihre Anliegen für Menschenrechte und fairen Handel bei den Vereinten Nationen einzubringen, nutzt sie die Chance. Wie schon zuvor in ihrer indischen Kanzlei kämpft sie für ihr Ideale, setzt sich ein für die Rechte der armen Bevölkerung und gegen ausbeuterische Schinderei in Textilfabriken und auf Teeplantagen.

Christina Brudereck setzt mit ihrem Roman ein Statement für Zivilcourage und den Mut, auf einem eigenen Weg seine/ihre Ziele erreichen zu wollen. Sie beschreibt eine Frau, die Dinge verändern kann. Dabei lernen die Leser/innen – in der Stadtkirche die Zuhörer/innen – auch eine Frau kennen – ähnlich alt wie die Autorin selbst -, der ihre Familie am Herzen liegt, die mit Trauer und Heimweh zu kämpfen hat, die mit Freundinnen feiert, die unter dem Machtstreben anderer leidet – und eine Frau, die gerne kocht, isst und das Teetrinken genießt.

Die Lesung in St. Petri ließ Yashi Bhandaris Persönlichkeit erahnen. Am Ende überwog, entgegen dem ausdrücklichen Bestreben der Autorin, der Eindruck des moralischen Appells. Vermutlich empfiehlt es sich, Yashi beim eigenen Lesen mehr Ruhe und Raum zu lassen, um sie in ihrer Vielschichtigkeit kennenzulernen.

Dann bleibt vielleicht auch Zeit fürs Schmunzeln, etwa über die Begegnung des kleinen Mädchens mit dem UN-Generalsekretär bei dessen Besuch in Indien: „Die Uno macht, dass alle mitspielen dürfen“, Zeit für ein gleichsam politisches wie poetisches Buch – und für eine gute Tasse Tee.

Foto: Stephan Schütze
Endlich wieder Publikum: Christina Brudereck las in der einladenden Atmosphäre der Evangelischen Stadtkirche St. Petri.
Foto: Stephan Schütze