22.04.2024

„Radfahren bedeutet Freiheit“

Stiftung Kinderglück und Karl-Kolle-Stiftung bringen Zweiräder in die Lessinggrundschule

Ein Tornister. Ein Etui mit Buntstiften, Geodreieck und Füller. Oder eben: Ein Fahrrad. Mit Helm, Warnweste und Schloss. Kaum vorstellbar, dass diese Dinge in einem reichen Land wie Deutschland nicht jedem Kind zur Verfügung stehen. Und eigentlich auch nicht hinnehmbar. Man muss nicht lange überlegen, woher Bernd Krispin wohl seine Energie nimmt. Seit fast zwei Jahrzehnten ist er, gemeinsam mit Ehefrau Susanne, Kopf und Herz der Dortmunder Stiftung „Kinderglück“. Es treibt ihn an, auch nach all den Jahren noch, ein bisschen mehr Gerechtigkeit herzustellen für jene Kinder, mit denen das Leben es nicht so gut meint.

„Es kann doch nicht angehen, dass eine Sechsjährige oder ein I-Männchen mit Plastiktüte zur Einschulung kommen müssen, weil der Familie das Geld für einen Ranzen fehlt“, erregt sich der Dortmunder – und setzt, mit beinahe 200 anderen Ehrenamtlichen, dieser Not etwas entgegen. Immer wieder. In der Lessing-Grundschule bekommen die Helfenden heute selber Hilfe. 6000 Euro stellt die Karl-Kolle-Stiftung Krispin und seinen Mitstreitenden zur Verfügung – davon kauft Kinderglück Fahrräder, die wiederum an den Konrektor der Lessing-Grundschule übergeben werden. Wohin man blickt, strahlende Gesichter – und mittendrin eine ebenfalls strahlende Heike Dahlheimer vom Dortmunder Spendenparlament Spendobel, die all diese Engagierten zusammengebracht hat. „Es ist einfach immer wieder schön, wenn wir sehen können, wo die Spende eingesetzt wird.“

Einmal im Jahr, im September, entscheidet das Spendenparlament über Projekte, für die dann 12 Monate lang Geld gesammelt wird. Die Projekte wurden vorher von den Experten auf Herz und Nieren geprüft – wie nachhaltig sie sind, wer darüber erreicht wird, ob es vergleichbare Angebote gibt. Beim „Fahrrad-Projekt“ der Stiftung Kinderglück mussten die Parlamentarier nicht lange überlegen: „Pro Jahr erhalten durch die Stiftung Kinderglück mehrere hundert Kinder und Jugendliche ein Fahrrad und somit einen Zugang zu mehr Mobilität“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Dass die Lessingschule heute 23 neue Räder erhält, freut Konrektor Jens Rosenstock sehr: „Im dritten Schuljahr starten wir mit dem Fahrradunterricht – hier gibt es viele 9- bis 10jährige, die noch nie auf einem Fahrrad gesessen haben.“ Auf dem Schulhof können sie nun gefahrlos üben, bevor es später auf den Trainingsparcours im Fredenbaumpark geht. „Für uns ist es praktisch, dass wir die Fahrräder vor Ort haben und ohne lange Wege mit den Kindern üben können“, betont der Pädagoge. Im Laufe der Jahre hat die Schuler über Kinderglück schon 72 Räder erhalten.

Steffen Wurst, einer der Vorstände der Karl-Kolle-Stiftung, hört aufmerksam zu, als Bernd Krispin über dieses Herzensprojekt erzählt: „Radfahren bedeutet Freiheit und ist für Kinder pädagogisch sehr wertvoll.“ Die Kinder würden ihre motorischen Fähigkeiten schulen, ihren Radius erweitern durch die gewonnene Mobilität. „Sie können sich mit anderen Kindern in ihrer Freizeit treffen und betätigen sich gleichzeitig sportlich.“

Und dann berichtet er von steigender Kinderarmut auch in Dortmund. „Die Armutsquote liegt bei unvorstellbaren 50 Prozent“, weiß Krispin. Von den 6000 Kindern, die im vergangenen Jahr im Raum Dortmund eingeschult wurden, erhielten 2000 einen Schulranzen über Kinderglück – Tendenz steigend. Was den Helfenden ganz wichtig ist: Die Erstklässler*innen wissen zu keinem Zeitpunkt, dass der Schulranzen eine Spende ist. „Kinder, die ständig mit ihrer eigenen Armut konfrontiert werden, entwickeln ein geringeres Selbstwertgefühl und tragen dieses negative Gefühl bis in ihr Erwachsenenalter“, so die Überzeugung der „Helfer*innen im Hintergrund“.

Da nickt Steffen Wurst, denn auch seine Stiftung agiert im Hintergrund. Neben „Bildung und Erziehung“ sowie „Wissenschaft und Forschung“ hat sich die Karl-Kolle-Stiftung auch „Soziales“ auf die Fahne geschrieben – und der Vorstand ist erkennbar froh, über Spendobel nun einen Kontakt zu den Mistreitern von Kinderglück bekommen zu haben. Und man spürt – das war sicher nicht die letzte Begegnung.

FahrräderKinderglück (v.l.n.r.): Steffen Wurst (links) von der KARL-KOLLE-Stiftung, Bernd Krispin (2.v.r.) und Sascha Filbert (re.) von der Stiftung Kinderglück übergeben 25 Fahrräder, Helme, Sicherheitswesten und Schlösser an den Konrektor der Lessing-Grundschule, Jens Rosenstock. Heike Dahlheimer freut sich, dass Spendobel wieder einmal Spender und ein gutes Projekt zueinander gebracht hat. Foto: EKKDO / niki