Veranstaltungsreihe „Politik Aktuell“ im Reinoldinum
„Guten Appetit!?“ hieß es am 25. November im kleinen Saal des Reinoldinums. Allerdings erwartete die Besucherinnen und Besucher keine neue Kochshow, sondern kritische Informationen zu „Lebensmittelskandale und die Scheinwelten der Lebensmittelindustrie“, so der Untertitel der Veranstaltung in der Reihe „Politik Aktuell“.
Eingeladen hatten Pfarrer Friedrich Stiller, Referat für Gesellschaftliche Verantwortung der Vereinigten Kirchenkreise sowie Hans Steinkamp vom Evangelisches Bildungswerk.
Zur Einführung in die Thematik rief Friedrich Stiller drei der Lebensmittelskandale dieses Jahres ins Erinnerung: Pferde- statt Rindfleisch in Tiefkühllasagne, Weichmacher in Joghurtbechern und die falsche Etikettierung von Bioeiern aus Freilandhaltung.
Dass es genau genommen gar keinen „Bioeier-Skandal“ gab, sondern insbesondere „von der Zeitung mit den großen Buchstaben“ als solcher dargestellt wurde, stellte Michael Radau, einer der beiden Referenten an diesem Abend, richtig. „Tatsächlich ging es darum, dass Geflügelbetriebe zu viele Hühner auf einer zu kleinen Fläche hielten. Somit hätten die dort produzierten Eier nicht als ,Freilandeier‘ deklariert werden dürfen.“ Allerdings hätten sich unter den ca. 100 beanstandeten Betrieben lediglich drei oder vier Biohöfe befunden.
Michael Radau ist Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Westfalen-Münsterland und Inhaber einer Biomarktkette.
Radau machte auch klar, dass die Forderung der Konsumenten, Lebensmittel in „bester Qualität zum niedrigsten Preis“ zu bekommen, nicht erfüllt werden könne.
Diese Ansicht vertrat auch der zweite Referent, Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW e. V. „Wer dem Verpackungsaufdruck einer Lasagne aus der Tiefkühltruhe für 1,99 Euro glaubt, der Rindfleisch in bester Qualität suggeriert, der irrt.“
Ähnliches gelte beispielsweise auch für den Fruchtjoghurt aus konventioneller Herstellung, in dem frisches Obst allenfalls in winziger Menge enthalten sei. „Die auf den Bechern abgebildeten Blaubeeren finden sich darin allenfalls in homöopathischen Dosen“, beschreibt Burdick einen Trick der Lebensmittelproduzenten.
Er berichtete weiter, dass der bundesdeutsche Lebensmittelmarkt gesättigt sei und sich auf große Ketten konzentriere. „Es herrscht Überfluss statt Mangel. Rund 100.000 Lebensmittelprodukte sind verfügbar. In großen Geschäften werden bis zu 30.000 unterschiedliche Produkte angeboten.“
Zudem herrsche auf dem deutschen Lebensmittelmarkt ein starker Verdrängungswettbewerb. „Der wird besonders von den Discountern über den Preis geführt.“ Fraglich bleibt, ob sich in naher Zukunft die „Masse-statt-Klasse-Mentalität“ auf dem Lebensmittelmarkt ändern wird.
Denn: Obwohl sich Dreiviertel der Verbraucher von den Angaben auf Verpackungen getäuscht fühlten und der Meinung seien, dass dabei getrickst werde (Burdick), gäben Konsumenten in der Bundesrepublik nur zwölf Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus (Radau).