21.01.2025

„So sollte niemand sterben …“

Trauer und Betroffenheit nach dem Tod eines Obdachlosen vor der Reinoldikirche

Er hieß Jörg. Und wir kannten ihn. Seit einigen Wochen übernachtete er im Torbogen an der Reinoldikirche. Auch andere Menschen nutzen die weniger belebten Winkel in unserer Innenstadt, um ein paar Stunden in der Nacht zu schlafen. Das ist gefährlich – und vermutlich wissen sie das auch. Erst recht, wenn es so kalt ist, wie jetzt. Dann entscheiden ein paar Grade manchmal über Leben und Tod.

Jörg wurde nur 56 Jahre alt – und wir sind traurig und betroffen. Ob er erfroren ist oder ob es einen anderen gesundheitlichen Grund gab, den aber in der Nacht offenbar niemand bemerkt hat – das ist noch ungeklärt. In der vergangenen Woche haben wir ihn und andere mit heißen Getränken versorgt, haben mit ihm gesprochen, haben versucht, ihn zu überzeugen, sich bei den Minusgraden eine andere Schlafstelle zu suchen. Vergeblich.

Nun denken wir an ihn. Die, die ihn gekannt haben, aber auch andere, die es einfach bewegt, dass mitten unter uns ein Leben so enden kann. Wir haben im Gottesdienst am Sonntag an ihn gedacht – und am kommenden Freitag, 24. Januar, um 17:45 Uhr erinnern wir bei Licht & Stille vor dem Abendgebet in der Reinoldikirche an Jörg und an all die anderen, die auf der Straße leben. „Eine Bank ist kein Zuhause“ – diese Forderung hat unsere Diakonie schon vor langer Zeit formuliert – und wiederholt das immer wieder auch im politischen Raum, etwa in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses der Stadt Dortmund am 28. Januar.

„Wir brauchen gerade jetzt im Winter funktionierende Angebote für Wohnungslose“, macht bodo e.V. in einer gerade veröffentlichten Pressemitteilung deutlich. Und weil wir das unterstreichen, veröffentlichen wir den Text hier auf unserer Homepage.

Weil wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wollen.

Er hieß Jörg. Und wir kannten ihn.

 

Die Pressemitteilung vom 20. Januar 2025 von bodo e. V.

„Draußen bleiben kann nicht die Alternative sein“

Nach Todesfall eines Wohnungslosen fordert der bodo e.V. funktionierende Angebote

Nach dem Tod eines wohnungslosen Mannes in der Dortmunder Innenstadt am Wochenende macht der bodo e.V. noch einmal deutlich, dass es funktionierende Angebote für Wohnungslose im Winter braucht. Vor über einem Jahr hatte die Stadt Dortmund zusätzliche niedrigschwellige Unterkünfte angekündigt, die immer noch nicht geschaffen sind“, sagt bodo-Sozialarbeiter Lutz Rutkowski. „Wenn wohnungslose Menschen nicht in den Übernachtungsstellen ankommen, heißt das, dass diese nicht so funktionieren wie sie sollten.“
PassantInnen hatten den Mann am Sonntagvormittag leblos an einem Eingang der Reinoldikirche in der Innenstadt gefunden und den Notruf benachrichtigt. Dort hatte er laut Mitarbeitenden der Kirche seit einiger Zeit seinen Schlafplatz gehabt.

In den letzten Tagen war es winterlich kalt, auch tagsüber gingen die Temperaturen kaum über den Gefrierpunkt. Für Wohnungslose ohne Unterkunft ist das lebensgefährlich. Im letzten Winter waren mindestens drei Obdachlose in Dortmund an Unterkühlung gestorben. Ob dies auch bei dem Mann am Wochenende zum Tod führte, soll ein Todesermittlungsverfahren klären.

Der bodo e.V. ist verärgert. „Die zusätzlichen niedrigschwelligen Unterkünfte, die die Stadt vor über einem Jahr angekündigt hat, gibt es immer noch nicht. Eine Entscheidung darüber hat der Rat vor Weihnachten ins neue Jahr verschoben“, sagt bodo-Sozialarbeiter Lutz Rutkowski. „Selbst wenn in der Februar-Sitzung entschieden wird: Bis es sie gibt, ist der Winter vorbei.“

Zugleich zeigt sich für den Verein der Wohnungslosenhilfe, dass die Abläufe bei der Unterbringung für viele Obdachlose offenbar nicht ausreichend funktionieren. Wer als Mann obdachlos ist, muss obligatorisch zur Männerübernachtungsstelle in der Unionstraße. Ist es dort voll, werden Hilfesuchende zur Container-Unterkunft am Dortmunder Zoo geschickt, die als Überlauf fungiert. Den Weg dorthin, rund sechs Kilometer, müssen sie aber selbst bewerkstelligen. „Viele Wohnungslose schaffen es aber nicht, solche Wege zurück zu legen, sei es aufgrund psychischer Belastungen oder körperlicher Einschränkungen“, erklärt Rutkowski. „Außerdem: Wer kein Geld für eine Übernachtung hat, hat in der Regel auch keines für ein Bahnticket. So riskieren Betroffene auch noch, wegen Fahrens ohne Fahrschein schlimmstenfalls ins Gefängnis zu gehen.“ Für den Sozialarbeiter ist klar: „Gerade bei diesen Temperaturen müssen Wohnungslose schnell, unkompliziert und ohne weite Strecken überbrücken zu müssen einen Schlafplatz finden können. Es kann nicht sein, dass die Alternative für viele ist, draußen zu bleiben.“

Der bodo e.V. appelliert bei den eisigen Temperaturen, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen: Schauen Sie nicht weg! Wenn Sie eine obdachlose Person sehen und sich Sorgen machen, sprechen Sie sie an. Meist wissen Menschen gut, wie es ihnen geht und was sie gerade brauchen. Wenn Sie den Eindruck haben, es liegt ein medizinischer Notfall vor, rufen Sie die 112!

bodo e.V. – Redaktion Straßenmagazin
Schwanenwall 36 - 38
44135 Dortmund
Tel. 0231 - 950 978 0

Foto: Stadtkirche St. Reinoldi
Gedenken an den verstorbenen Obdachlosen am Turmeingang der St. Reinoldikirche.
Foto: Stadtkirche St. Reinoldi